Den größten Innovationstreiber der heutigen Zeit stellt zweifellos der fortschreitende Einzug von Technologie und Digitalisierung in immer mehr Branchen dar. Dass hierbei auch das Gesundheitswesen, insbesondere also auch die Apotheken in Deutschland, betroffen sein würden, war abzusehen. Umso spannender ist es nun zu beobachten, in welchem Tempo die Neuheiten von Ideen über Konzepte bis hin zur tatsächlichen Implementierung in der Praxis umgesetzt werden und welche Auswirkungen dies auf die eher traditionell veranlagten Geschäftsmodelle der Apotheken mit sich bringt.
In diesem Artikel finden Sie neben Informationen zu den aktuellsten Trends, Themen und Aussichten bezüglich der Digitalisierung in den Apotheken außerdem auch eine Übersicht über die Chancen und Möglichkeiten für Apothekeninhaberinnen und -inhaber, mit der Digitalisierung mitzuwachsen und ihre Apotheke für die Zukunft aufzurüsten.
Wie „digital“ sind die Apotheken in Deutschland?
Der Markt für Online-Apotheken ist bereits seit geraumer Zeit durch ein starkes Wachstum geprägt, welches sich seit Beginn der Corona-Pandemie sogar noch intensiviert hat. Aber auch die digitalen Angebote in den deutschen Präsenzapotheken haben sich im Laufe der vergangenen Jahre stetig weiterentwickelt:
Telematikinfrastruktur
Die als Plattform-Modell aufgebaute Telematikinfrastruktur (TI) in Deutschland ermöglicht die Anbindung an zentrale, einheitliche Gesundheitsanwendungen und dient der schnellen und sicheren Kommunikation zwischen Krankenhäusern, Ärzten, Apotheken und weiteren an der gesundheitlichen Infrastruktur beteiligten Parteien. Für die Apotheken ist der Anschluss an die TI mittlerweile verpflichtend und benötigt dabei die folgende Mindestausstattung:
- Eine wichtige Komponente stellt der sogenannte eHealth-Konnektor dar, welcher mittels einer Gerätekarte (gSMC-K-Karte) aktiviert wird. Der Konnektor kann sich dabei entweder vor Ort in der Apotheke befinden oder aber im Rahmen eines „TI as a Service“ genannten Modells über ein externes Rechenzentrum mit der Apotheke verbunden werden.
- Um die elektronischen Gesundheitskarten auslesen zu können, wird außerdem ein eHealth-Kartenterminal, also ein spezielles Kartenlesegerät, benötigt. Auch dieses wird durch eine dazugehörige Gerätekarte (gSMC-KT-Karte) aktiviert und muss in jedem Fall in den Apotheken vorhanden sein.
- Da es sich bei den betroffenen Daten um gesundheitliche Daten der Patienten und somit um aus rechtlicher Sicht besonders sensible und schützenswerte Informationen handelt, kann die Verbindung zwischen den Geräten und der TI nicht einfach über eine klassische Internetverbindung stattfinden, sondern muss über ein speziell verschlüsseltes VPN-Netzwerk (Virtual Private Network) hergestellt werden. Ein solcher Zugangsdienst muss ebenfalls in jeder einzelnen Apotheke individuell eingerichtet werden.
Die erforderliche Qualifikation für Apothekerinnen und Apotheker, welche zur Nutzung der Gesundheitsanwendungen der TI berechtigt, muss in Form eines vorhandenen Heilberufsausweis (HBA) nachgewiesen werden. Um neben dem HBA auch die Apotheke zweifelsfrei identifizieren zu können, benötigt diese ebenfalls einen individuellen Institutionsausweis, welcher auch SMC-B-Karte oder Apothekenausweis genannt wird.
Elektronische Patientenakte
Seit dem Anfang des Jahres 2021 haben alle Personen, für welche ein Versicherungsschutz bei einer gesetzlichen Krankenversicherungen besteht, die Möglichkeit, eine sogenannte elektronische Patientenakte – kurz ePA – zu erhalten. In der ePA können alle Informationen und Befunde, welche beispielsweise bei medizinischen Untersuchungen oder Behandlungen entstehen, direkt von den jeweiligen Dienstleistern praxis- und krankenhausübergreifend digital und einfach hinterlegt werden, so dass die Versicherten jederzeit Zugriff auf eine Dokumentation ihrer Gesundheits- und Krankengeschichte haben und keine Informationen mehr verloren gehen. Für Apotheken ist dies ebenfalls sehr spannend, da sie von dem Versicherten Zugriff auf dessen ePA erhalten und damit die jeweiligen Medikations- oder Notfalldaten einsehen können, was nicht unerheblich zur Arzneimitteltherapie-Sicherheit beiträgt. Zum Zugriff auf die ePA von Versicherten ist eine abgeschlossene und erfolgreiche Anbindung an die TI erforderlich.
Elektronischer Medikationsplan
Auf der elektronischen Gesundheitskarte, welche vor mittlerweile über 7 Jahren bei allen gesetzlichen Krankenversicherungen verpflichtend eingeführt wurde, kann bei Zustimmung des Patienten ein elektronischer Medikationsplan (eMP) hinterlegt werden, welcher auf dem noch papierbasierten Bundeseinheitlichen Medikationsplan (BMP) aufbaut und Ärzten und Apotheken einen Überblick sowohl über die Patientenstammdaten als auch die medikationsrelevanten Daten und Angaben liefert. Auch der Zugriff auf den elektronischen Medikationsplan über die elektronische Gesundheitskarte in einer Apotheke kann erst nach erfolgreich abgeschlossener Anbindung der Apotheke an die TI erfolgen.
Elektronisches Rezept
Relativ neu ist noch die verpflichtende Einführung des elektronischen Rezepts, kurz E-Rezept. Seit dem Anfang des Jahres 2022 gilt die Verpflichtung zum E-Rezept, auch wenn hier bisher noch keine Abschaffung des Papierrezeptes ansteht, sondern vorerst auf einen Parallelbetrieb der beiden Rezeptarten gesetzt wird. Apotheken als der typische Ort, an welchem ausgedruckte Rezepte bisher eingelöst wurden, sind von der Einführung und den damit verbundenen neuen Möglichkeiten des E-Rezepts natürlich besonders betroffen. Die für den Umgang mit e-Rezepten zugrundeliegende Anwendung ist ebenfalls an die TI angebunden, welche damit zur zwingenden Voraussetzung für die Apotheken wird.
Qualifizierte elektronische Signatur
Die qualifizierte elektronische Signatur (QES) ist auf dem Heilberufsausweis von Ärztinnen und Ärzten sowie Apothekerinnen und Apothekern hinterlegt und dient dazu, Dokumente, Befunde, Rezepte etc. digital und rechtssicher signieren zu können. Der Heilberufsausweis stellt dabei eine Voraussetzung für die Anbindung von Apotheken an die TI dar.
Digitaler Service in Apotheken
Neben den rein gesundheitsbezogenen und teilweise mittlerweile sogar gesetzlich vorgeschriebenen digitalen Konzepten und Anbindungen können Apotheken sich auch weiterer digitaler Trends, beispielsweise aus anderen Branchen, bedienen und somit ihre langfristige Wettbewerbspositionierung nachhaltig stärken. Besonders spannend sind hier die mit der fortschreitenden Digitalisierung entstehenden neuen Servicemöglichkeiten – auch da mit Click & Collect, Online-Vorbestellungen, Same-Day-Delivery, Online-Shops und betriebseigenen Apps diese Lösungen in vielen anderen Branchen schon gängiger Standard sind und von immer mehr Kunden genutzt werden.
Online-Shop und Click & Collect
Sehr interessant ist allerdings auch die Tatsache, dass viele Apotheken bereits von diesen Möglichkeiten Gebrauch machen und im branchenübergreifenden Vergleich gut mithalten: Laut einer Umfrage wurden beispielsweise im Jahr 2020 bereits knapp 30 Prozent der online bei Apotheken bestellten Produkte im Stil von Click & Collect von den Kunden persönlich in der Apotheke abgeholt, vorrangig ginge es für die Kunden dabei um die Zeit- und Versandkostenersparnis sowie die Unterstützung regionaler Geschäfte. Ein ähnliches, etwas erweitertes Modell kann auch die Abholung der bestellten Produkte in einer digitalen Abholbox darstellen, welche mittels einem zuvor an den Kunden geschickten Abholcode geöffnet wird und durch eine eingebaute Kühlung sowie die Abkoppelung von den Öffnungszeiten der Apotheke eine besonders flexible Lösung bietet.
Apps für Mobilgeräte
Im Bereich der Smartphone-Apps bietet es sich für Apotheken außerdem an, hier neben dem eigenen Online-Shop inklusive einem digitalen Bezahlsystem auch weitere beratende Funktionen mit einzubauen, um die Kunden im Alltag noch näher begleiten und damit die Präsenz der eigenen Apotheke stärken zu können. Beispiele könnten hier unter anderem Erinnerungshilfen, Notfall-Funktionen, Diätprogramme oder Erstdiagnosen über in die App integrierte Funktionen sein.