Seit April dieses Jahres gibt es bei der physiotherapeutischen Regelversorgung neue Regelungen, die es Therapeuten fortan unter bestimmten Voraussetzungen möglich machen, Videotherapien anzubieten. Mit dieser Neuregelung wurde ein weiterer wichtiger Meilenstein in Richtung Digitalisierung des Gesundheitswesens erreicht.

Im heutigen Fachbeitrag informieren wir Therapeutinnen und Therapeutin über die Möglichkeiten der Videotherapie und erklären, unter Einhaltung welcher Vorgaben die Videotherapie zulässig ist.

Welche Regelungen gelten bei der Videobehandlung?

  • Einsatzort: Die Videotherapie darf nur in den zugelassenen Praxisräumen abgehalten werden, da die Privatsphäre des Patienten sichergestellt sein muss. Eine Therapiestunde aus dem Home Office des Therapeuten ist nicht zulässig
  • 1. Termin muss in Präsenz stattfinden: Videotherapie darf nur dann angeboten (und abgerechnet) werden, wenn der erste Termin in Präsenz stattfand. Alle Folgetermine können dann digital, d.h. telemedizinisch abgehalten werden
  • Vergleichbarkeit: Die online Therapiestunden müssen mit face-to-face Therapiestunden in Präsenz vergleichbar sein 
  • Therapie in Echtzeit: Die Videotherapie darf nicht vorab per Video aufgezeichnet und dem Patienten dann zur Verfügung gestellt werden – im Gegenteil, die Behandlung muss in Echtzeit stattfinden, d.h. der Therapeut muss zu jeder Zeit live mit dem Behandelten im Videostream interagieren. Ebenso ebenso darf die Therapiestunde mit dem Patienten aus Gründen des Datenschutzes nicht aufgezeichnet werden
  • Schriftliche Einwilligung auf Seiten des Patienten: Bevor die Videotherapie beginnen kann, muss zunächst eine schriftliche Einwilligung vom Patienten eingeholt werden. Dieser muss überdies im Vorhinein umfänglich von seinem Therapeuten über die Videotherapie aufgeklärt werden
  • Widerrufsrecht: Alle Beteiligten können die telemedizinische Therapiestunde jederzeit abbrechen 
  • Software: Die Videotherapie muss mit einer Software eines zertifizierten Videoanbieters durchgeführt werden, der Anbieter muss somit bei der GKV gelistet sein. Alle anderen Anbieter, die nicht Teil dieser Liste sind bzw. keine Zertifizierung haben, sind nicht zulässig
  • Körperliche und physische Voraussetzungen: Sowohl Patient als auch Therapeut müssen körperlich als auch physisch in der Lage sein, an einer Videotherapie teilzunehmen. Überdies müssen alle Beteiligten über die notwendige Medienkompetenz verfügen 
  • Erfolgsprüfung in Präsenz: In regelmäßigen Abständen muss vom Therapeuten in Präsenz kontrolliert werden, ob die Therapie anschlägt/ erfolgreich ist

Welche Leistungen kommen für die Videotherapie in Frage?

Laut Regelung dürfen bis zu 50% aller Behandlungseinheiten pro Verordnung als telemedizinische Leistung, also in Form der Videotherapie, erbracht werden. Dies trifft bspw. auf Leistungen wie Krankengymnastik, Krankengymnastik als Gruppenbehandlung sowie Krankengymnastik zur Behandlung schwerer Atemwegserkrankungen zu.

Überdies können bis zu 30 Behandlungseinheiten pro Verordnung als telemedizinische Leistung erbracht werden, wenn es um Krankengymnastik zur Behandlung des zentralen Nervensystems für Kinder und Erwachsene nach Bobath geht.

Ebenso darf manuelle Therapie als Einzelbehandlung als Videotherapie abgerechnet werden. Alle anderen physiotherapeutischen Leistungen dürfen zum jetzigen Stand jedoch nicht telemedizinisch abgehalten und abgerechnet werden. Wichtig zu wissen ist auch, dass die Vergütungssätze dieselben sind wie bei Behandlungen in Präsenz.

Beispiele für Therapie-Inhalte der Videotherapie

a) Allgemeine Krankengymnastik (KG) als Einzelbehandlung

Schulung spezieller Gelenk- und Muskelübungen
Übungsanweisungen
Aufklärung/ Beratung
Schulung von Koordination und Gleichgewicht
Haltungskontrolle
Erarbeitung ökonomischer Bewegungsabläufe

b) Allgemeine Krankengymnastik (KG) als Gruppenbehandlung von 2-5 Personen

Aktivierung und Kräftigung geschwächter Muskulatur
Dehnung verkürzter Weichteilstrukturen
Aufklärung/ Beratung
Schulung von Koordination und Gleichgewicht
Haltungskontrolle
Erarbeitung ökonomischer Bewegungsabläufe

c) Krankengymnastik zur Behandlung schwerer Erkrankungen der Atemwegsorgane

Schulung spezieller Atemtechniken und Atemgymnastik
Anleitung von Atemhilfestellungen
Aufklärung/ Beratung

d) Krankengymnastik zur Behandlung des zentralen Nervensystems für Kinder nach Bobath

Übungen anleiten und kontrollieren Vermittlung von Verhaltensregeln
Beratung Angehöriger
Beobachtung von Bewegungsübergängen

e) Krankengymnastik zur Behandlung des zentralen Nervensystems für Erwachsene nach Bobath

Übungen anleiten und kontrollieren
Integration von Eigenübungen in den Alltag
Vermittlung von Verhaltensregeln Anleitung von Bezugspersonen

Wie werden telemedizinische Leistungen wie die Videotherapie abgerechnet?

Für gesetzlich Versicherte reicht zur Abrechnung der Leistungen eine Mail oder ein Fax vom Versicherten, in dem er die Behandlung bestätigt. Ebenso ist auch der Nachweis des jeweiligen Softwarenabieters erlaubt.

Bei Privatversicherten ist die Abrechnung jedoch anders, denn in diesem Fall muss, bevor die Videobehandlung startet, geprüft werden, ob die jeweilige Krankenversicherung telemedizinische Leistungen übernimmt oder ob die Behandlung privat gezahlt werden muss.

Welche (technischen) Voraussetzungen müssen zum Abhalten von Videotherapien erfüllt sein?

  1. Computer/ Laptop/ Tablets mit funktionstüchtiger, hochauflösender Kamera
  2. Zu empfehlen ist ein kabelloses Headset, da hierdurch mehr Bewegungsfreiheit geschaffen wird 
  3. Zertifizierte Software, die ein Einloggen ohne vorige Registrierung ermöglicht. Ebenso muss es sich um eine browserbasierte Software ohne Cookies und Tracker handeln, denn eine Installation ist nicht zulässig
  4. Digitale Therapiematerialen müssem dem Patienten zur Verfügung gestellt werden können. Ebenso muss der Therapeut den Patienten im Vorhinein auf etwaige physische Therapiematerialen hinweisen, sodass diese bereitgestellt werden können
  5. Vor der Durchführung muss ein Behandlungsvertrags mit Zustimmung zur Videotherapie unterzeichnet werden

Ablauf der Videobehandlung auf einen Blick

Der Ablauf einer Videotherapie-Stunde ähnelt in einigen Punkten dem Ablauf von Behandlungen in Präsenz. Im Unterschied zur Präsenzstunde muss im Vorhinein dem Patienten jedoch ein Einladungslink übermittelt werden, mithilfe dessen dieser zu Videotherapiebeginn Zutritt zum virtuellen Raum erhält. Sobald dies geschehen ist, startet die Therapiestunde wie jede andere Therapiestunde in Präsenz. Zu Ende der Videotherapie beendet der Therapeut dann die Sitzung per Klick.

Gibt es Fördermöglichkeiten?

Ja, die gibt es. Von 2022 bis 2024 können Therapeuten beim GKV Spitzenverband die jährliche Hardware Pauschale von 950€ beantragen. Zusätzlich gibt es für die Jahre 2022 bis 2025 eine pauschale Software Förderung in Höhe von 300€. Die Abrechnung dieser Pauschalen wird ab Oktober 2022 möglich sein.

Aktuelle Zahlen zur Videotherapie

Einer Umfrage der Noventi zufolge arbeitet derzeit nur ein Bruchteil der Therapeuten mit einem Videotool, rund ¼ planen jedoch künftig eine Anschaffung. Aus derselben Umfrage geht hervor, dass 2/3 mit Praxisverwaltungssystemen arbeiten, ¼ planen künftig eine Anschaffung. Diese Ergebnisse zeigen, dass im Bereich der Telemedizin und genauer: der Videotherapie durchaus noch Luft nach oben besteht.

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