Zu Beginn des Jahres 2022 hat nicht nur in Deutschland das nach wie vor omnipräsente Thema Corona oberste Priorität. Angesichts schwankender und zum aktuellen Zeitpunkt bundesweit stark steigender Infektionszahlen, welche unter anderem auf die Omikron-Variante des Virus zurückzuführen sind, werden von politischer Seite alle möglichen Maßnahmen zur Eindämmung des Infektionsgeschehens entworfen und geprüft. Gleichzeitig wird weiterhin eindringlich zur Covid-19-Schutzimpfung aufgerufen– sei es als Erst-, Zweit- oder auch als Auffrischimpfung, da diese den wirksamsten Schutz gegen die Verbreitung des Virus darstelle und zudem im Falle einer Infektion effektiv vor schweren Krankheitsverläufen schütze.
Impfberechtigte Berufsgruppen werden erweitert
Um die Organisation und Durchführung einer höheren Zahl an Covid-19-Schutzimpfungen als bisher bewerkzustelligen zu können, hat sich das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) nun mit seiner Forderung durchsetzen können, die Berechtigung zur Verabreichung einer Schutzimpfung als grundsätzlich ärztliche Leistung zeitweise auch auf andere Berufsgruppen zu erweitern, um damit der momentan stetig sehr hohen Nachfrage gerecht werden zu können. Zur Durchsetzung dieser Forderung waren sowohl Anpassungen im Infektionsschutzgesetz (IfSG) als auch in der Coronavirus-Impfverordnung notwendig, durch welche nun vorerst Apothekerinnen und Apotheker unter bestimmten Voraussetzungen zur Verabreichung der Covid-19-Schutzimpfung berechtigt werden. Außerdem sollen in Zukunft auch noch Zahnärztinnen und -ärzte sowie Tierärztinnen und -ärzte in gleicher Form zur Durchführung einer solchen Impfung berechtigt werden. Der für die Erweiterung der zu einer Covid-19-Schutzimpfung berechtigten Berufsgruppen zuständige Gesetzesentwurf wurde dem Infektionsschutzgesetz als Paragraf § 20b („Durchführung von Schutzimpfungen gegen das Coronavirus SARS-CoV-2“) hinzugefügt.
Voraussetzungen für Apothekerinnen und Apotheker bei der Verabreichung des Impfstoffs
Um innerhalb ihrer eigenen Apotheke Covid-19-Schutzimpfungen verabreichen zu dürfen, müssen Apothekerinnen und Apotheker eine geeignete Räumlichkeit mit einer Ausstattung, die für die Durchführung der Covid-19-Schutzimpfungen erforderlich ist, vorweisen können. Außerdem muss eine bundeseinheitliche, von Ärztinnen und Ärzten angeleitete Schulung absolviert werden. Das Curicculum umfasst dabei zwölf Fortbildungsstunden zu jeweils 45 Minuten, von welchen sechs Stunden auf die theoretische Fortbildung, vier Stunden auf die praktische Fortbildung sowie zwei Stunden auf eine optionale Zusatzschulung entfallen. Letztere müssen Apothekerinnen und Apotheker nur dann ablegen, sofern sie nicht über eine gültige Qualifikation als Ersthelfer/in verfügen. Zu den Fortbildungsstunden kommen Lernerfolgskontrollen. Hat der Apotheker diese erfolgreich gemeistert, erhält er eine Bescheinigung, die ihn zur Durchführung der Covid-19-Schutzimpfung berechtigt. Ebenso kann er fortan Impfnachweise ausstellen.
Im Detail besteht das Curriculum der von der Bundesapothekerkammer und der Bundesärztekammer festgelegten ärztlichen Schulung aus folgenden Inhalten:
Selbststudium (2 Fortbildungsstunden)
- Aufklärung (Aufklärungsmerkblätter des RKI, Aufklärung über Impfmythen)
- Anamnese einschließlich Impfanamnese (STIKO-Empfehlungen, Ein- und Ausschlusskriterien für die Impfung, Kontraindikationen / falsche Kontraindikationen, Impfabstände zu Tot- und Lebendimpfstoffen, mögliche Impfreaktionen und ihre Bewertung, Anamnese- und Einwilligungsbögen des RKI zur Schutzimpfung gegen COVID-19)
- Impfung gegen COVID-19 (Anatomie der Impfregion, intramuskuläre Spritztechnik / Impfbesteck, Hygiene- und Schutzmaßnahmen, COVID-19-Impfstoffe, Nachbeobachtung)
- Verhalten nach der Impfung
- Notfallmanagement (Notfallplan, anaphylaktische Reaktionen und Maßnahmen)
COVID-19 – Theorie (2 Fortbildungsstunden)
- SARS-CoV-2-Virus (Struktur, Einteilung in Typen/Subtypen, Varianten, Pathogenität)
- COVID-19-Krankheit (Epidemiologie, Ansteckungsgefahr, Symptomatik / Verlauf / Pathophysiologie, Überblick über differenzialdiagnostische Maßnahmen)
- Therapie (nichtmedikamentöse Maßnahmen, antivirale Arzneimittel, Grenzen der Selbstbehandlung)
- Prävention (einschließlich allgemeiner Hygieneschutzmaßnahmen)
- Impfstoffe (Arten von COVID-19-Impfstoffen, Zulassung nach Alter, Konservierung, Wirkverstärker, Applikation)
- Besonderheiten bei der COVID-19-Impfung Minderjähriger ab dem 12. Lebensjahr
- Impfquoten (aktuelle und angestrebte Durchimpfungsraten WHO/EU/D)
- Häufige Komplikationen und deren Risikofaktoren
- Wichtige Informationsquellen (RKI, Arbeitsgemeinschaft Influenza)
Durchführung der Impfung – Theorie (2 Fortbildungsstunden)
- Vorbereitung (Ausstattung und räumliche Voraussetzungen, Hygiene- und Schutzmaßnahmen, Auswahl des Impfstoffs)
- Wichtige rechtliche Aspekte (insbesondere IfSG einschließlich Impfschadensregelung und CoronaImpfV, Behandlungsvertrag / Dokumentation nach BGB § 630 a bis h, Berufsrecht und HeilprG
- Aufklärungsgespräch (Feststellung der Eignung: Ein- und Ausschlusskriterien für die Impfung, STIKO-Empfehlungen, Erhebung der Anamnese einschließlich der Impfanamnese, Feststellung der aktuellen Befindlichkeit zum Ausschluss akuter Erkrankungen oder Allergie, Beachtung Kontraindikationen / falsche Kontraindikationen, in zeitlichen Zusammenhang stehende Verabreichung anderer Impfstoffe d.h. Impfabstände zu Tot- und Lebendimpfstoffen, weitere Impfberatung über mögliche Impfreaktionen und ihre Bewertung, Aufklärungsmerkblatt / Bezug fremdsprachiger Aufklärungsmaterialien, Hinweise für den Patienten für das weitere Verhalten nach der Impfung)
- Wichtige Aspekte bei der Durchführung der Impfung
- Dokumentation (Impfbescheinigung, Impfpass, Impfzertifikat, Dokumentation in der Apotheke)
- Impfsurveillance – Meldung an das RKI
- Notfallmanagement (Notfallplan, Notfallsituationen / anaphylaktische Reaktionen, Anwendung von Epinephrin, rechtliche Aspekte bei der Ersten Hilfe)
- Phrakovigilanz: Meldung unerwünschter Arzneimittelwirkungen nach AMG
Durchführung der Impfung – Praktische Übungen (mind. 4 Fortbildungsstunden)
- Vorbereitung
- Praktisches Aufklärungsgespräch unter Berücksichtigung spezieller Patientengruppen und Situationen einschließlich Einholung der Einwilligung
- Besonderheiten bei der Aufklärung, Einholung der Einwilligung und Impfung von Minderjährigen ab dem vollendeten 12. Lebensjahr
- Durchführung der Impfung (Impftechnik: Position der zu impfenden Person – liegend/sitzend, Auswahk des geeigneten Bereichs für die Injektion inkl. zu berücksichtigende anatomische Aspekte, schmerzreduziertes Impfen, Desinfektion, Übung der i.m. Injektion am Modell und/oder am Menschen)
- Nachbereitung (Entsorgung verbrauchter Materialien, Betreuung der geimpften Person / Nachbeobachtung, Hinweise für den Patienten für das weitere Verhalten nach der Impfung, Verhalten in Notfallsituationen)
Variante A (Seminar):
Schulung durch Ärztinnen/Ärzte im Rahmen eines Präsenz-Seminars
Variante B („Lernen vor Ort“):
Schulung unter ärztlicher Aufsicht in einer Impfstelle, in der Schutzimpfungen gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 durchgeführt werden, z.B. Impfzentren, mobile Impfteams oder Arztpraxen
Maßnahmen der Ersten Hilfe bei Impfreaktionen (mind. 2 Fortbildungsstunden, sofern die Apothekerin/der Apotheker nicht über die gültige Qualifikation als Ersthelfer/in verfügt)
- Notfallsituationen, insbesondere mit Herz-Kreislauf-Ursache bzw. mit respiratorischer Ursache
- Notfallmaßnahmen (Prüfung des Bewusstseins, Prüfung der Vitalfunktionen, Durchführung der Reanimation, Benutzung von Beatmungshilfen)
- Notruf
- Selbstschutz
Quelle: ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände e.V., Bundesapothekerkammer, Bundesärztekammer
Um den für Covid-19-Schutzimpfungen notwendigen Impfstoff bestellen zu können sowie die durchgeführten Impfungen auch abrechnen zu können, müssen die Apotheken von der jeweils zuständigen Landesapothekerkammer alle notwendigen Voraussetzungen bescheinigt bekommen. Neben den entsprechenden Räumlichkeiten, einer qualitätsgesicherten Lagermöglichkeit für die Impfstoffe sowie dem Nachweis über die beschriebene Schulung ist für eine solche Bescheinigung außerdem noch ein Nachweis über eine aktive Berufshaftpflichtversicherung erforderlich, welche mögliche Schädigungen aus der Durchführung der Schutzimpfungen abdeckt.
Vergütung für die Verabreichung der Corona-Schutzimpfung
Im Zuge der Veröffentlichung der Anpassung des Infektionsschutzgesetzes hinsichtlich des Paragraf § 20b wurde betont, dass die Vergütung für die Impfungen für alle Leistungserbringer – unabhängig von der Berufsgruppe – grundsätzlich einheitlich gestaltet werden soll. Genau wie die Ärztinnen und Ärzte, welche Covid-19-Schutzimpfungen verabreichen, sollen nun also auch Apothekerinnen und Apotheker für die Verabreichung einer Impfung eine Vergütung in Höhe von 28 Euro erhalten (bzw. 36 Euro an Samstagen, Sonn- und gesetzlichen Feiertagen). Mit dieser Vergütung werden dabei sowohl die eigentliche Verabreichung des Impfstoffs als auch die Aufklärung und Impfberatung, eine Vorab-Untersuchung sowie die Nachbeobachtung und eventuell notwendige medizinische Interventionen im Fall von plötzlichen Impfreaktionen abgedeckt. Außerdem müssen Apotheken genau wie Arztpraxen die verabreichten Impfungen genau dokumentieren und regelmäßig an das RKI melden. Ebenfalls erhalten Apothekerinnen und Apotheker – genau wie Ärztinnen und Ärzte – zusätzliche 35 Euro, falls die zu impfende Person zuhause oder in einer Pflegeeinrichtung aufgesucht werden muss (bzw. jeweils 15 Euro für jede weitere zu impfende Person in derselben sozialen Gemeinschaft oder Einrichtung).
Die Impfstoffe sowie das nötige Impfbesteck und -zubehör erhalten Apotheken grundsätzlich unentgeltlich und werden für den bei der Beschaffung entstehenden Aufwand sogar mit einer zusätzlichen Vergütung in Höhe von 7,58 Euro zuzüglich Umsatzsteuer vergütet.
Die Abrechnung der durchgeführten Covid-19-Schutzimpfungen soll mindestens einmal im Monat über das Rechenzentrum der Apotheke erfolgen und dabei die Anzahl der Impfungen, die erstellten Impfzertifikate sowie den sich daraus ergebenden Erstattungsbetrag beinhalten, ohne Rückschlüsse auf die geimpften Personen zuzulassen.
Nebeneffekte für Apothekerinnen und Apotheker
Laut einer von der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) durchgeführten Umfrage, an welcher sich knapp 7.000 Beschäftigte in Apotheken beteiligt hatten, besteht eine grundlegend sehr hohe Bereitschaft von Seiten der Apothekerinnen und Apotheker zur Durchführung von Covid-19-Schutzimpfungen. So würden in jeder zweiten Apotheke in Deutschland Impfungen angeboten werden können – passende Rahmenbedingungen wie ein geringer administrativer Aufwand, ausreichend zur Verfügung stehender Impfstoff sowie eine angemessene Vergütung vorausgesetzt.
Generell gilt natürlich weiterhin, dass die Versorgung der Bürgerinnen und Bürger mit Arzneimitteln die Hauptaufgabe der Apotheken darstellt und diese auch in Zukunft auf hohem Niveau aufrechterhalten werden muss. Nichtsdestotrotz könnte die Möglichkeit, in deutschen Apotheken eine Covid-19-Schutzimpfung zu erhalten, auch die dortigen Verkaufszahlen von Zusatzprodukten deutlich in die Höhe treiben und somit einen positiven Nebeneffekt aus Sicht der Apotheken darstellen. Dass damit gleichzeitig Kosten durch Personalbindung, Impfstofflogistik und Terminvergabe entstehen, muss jedem bewusst sein und akribisch gegengerechnet werden. Vorstellbar wäre, dass die regionalen Apothekenverbände elektronische Systeme zur Verfügung stellen, welche von den Apotheken kostengünstig zur Terminvergabe eingesetzt werden könnten.
Außerdem nicht zu vernachlässigen ist natürlich die soziale Verantwortung, welcher die Apotheken, welche sich zur Durchführung von Covid-19-Schutzimpfungen entscheiden, in hohem Maße nachkommen würden, in dem sie damit einen äußerst wichtigen Beitrag zur Eindämmung des Infektionsgeschehens und somit zur Pandemiebekämpfung leisten würden.