Wer hätte beim Zünden der Silvesterraketen zum letzten Jahreswechselt gedacht, dass 2020 solch ein Schicksalsjahr werden würde. Ein Thema, welches jeden durch das Jahr begleitet und dieses auch enorm geprägt hat, war zweifelsohne Corona. In der Apothekenbranche gab es jedoch noch einen zweiten Schlag, die Insolvenz des Apothekenrechenzentrums AvP.
Für viele Apotheker stellt sich in diesen Zeiten die Frage, wie sie die Liquidität ihrer Apotheke weiter und am besten langfristig sichern können. Die wichtigsten Informationen im Überblick.

AvP-Insolvenz: Am 16. September meldete das Apothekenrechenzentrum AvP Insolvenz an. Ein Ereignis, das für tausende Betriebe existenzbedrohend ist. Das Rechenzentrum hatte über mehr als 70 Jahre hinweg das Vertrauen der Apotheker und anderer Leistungsbringer genossen. AvP bediente rund 3200 Kunden, etwa 2900 davon waren öffentliche Apotheken, die über AvP ihre Rezepte abrechneten und die durch die Pleite plötzlich unverschuldet in finanzielle Not geraten sind. Teilweise stehen bis zu sechsstelligen Abschlagszahlungen aus, die den Apothekern schmerzlich fehlen.

Wie kam es zur Insolvenz?

Aus Gutachten geht hervor, dass es innerhalb der AvP-Unternehmensgruppe schon seit längerem finanzielle Unregelmäßigkeiten gegeben hatte. So waren zwischen 2009 und 2018 rund 1,8 Millionen Euro von Konten der AvP Deutschland GmbH in eine „schwarze Kasse“ abgezweigt worden, aus denen sich Geschäftsführer Rolf Clemens munter bediente. Als es 2019 zu einem Wechsel der bei der AvP Deutschland GmbH tätigen Wirtschaftsprüfergesellschaft kam, wurden weitere Ungereimtheiten bis hin zu vorsätzlich kriminellen Handlungen aufgedeckt. Letztendlich wurden zwischen 2017 und 2019 Verluste in Höhe von rund 4 Millionen Euro pro Jahr vor Steuern verdeckt. Die Insolvenz drohte also schon lange, konnte nun aber nicht mehr vor der Öffentlichkeit verdeckt werden..

Insolvenzverfahren

Am 1. November wurde das Insolvenzverfahren des Apothekenrechenzentrums eröffnet. Die Eröffnung des Verfahrens fand einen Monat früher statt als geplant, was durch einen vorliegenden Kaufvertrag mit Noventi begründet wurde. Der Apotheken-Dienstleistungskonzern Noventi plante, die AvP-Sparte des Abrechnungsgeschäfts mit den etwa 300 Krankenhausapotheken zu übernehmen. Der Kaufvertrag konnte jedoch nur im laufenden Insolvenzverfahren abgeschlossen werden. Da man den Krankenhausapotheken diesbezüglich so schnell wie möglich Planungssicherheit bieten wollte, wurde das Verfahren frühzeitig eröffnet. Mit der Eröffnung des Verfahrens haben Gläubiger die Gelegenheit erhalten, Forderungsanmeldungen gegenüber AvP abzugeben. Hierbei gibt es für die Apotheken, die vermutlich die größte Gläubiger-Gruppe ausmachen, einen Vorschlagswert, der sich aus den Daten der AvP ergibt. Betroffene Apotheker haben aber auch die Möglichkeit höhere Forderungen anzugeben, wenn sie Belege beifügen. Stichtag für die Prüfung der angemeldeten Forderungen ist der 22. Dezember. Gläubiger, die es bis dahin nicht schaffen eine Forderungsanmeldung abzugeben, sind jedoch trotzdem nicht zwingend von der Teilnahme am Verfahren ausgeschlossen. Die tatsächliche Höhe der Schulden von AvP, wird einzuschätzen sein, wenn die Forderungsanmeldungen vorliegen.

Aussonderungsrechte

Mit dem eröffneten Insolvenzverfahren können Apotheken auch ihre Aussonderungsrechte geltend machen. Viele Apotheker hoffen, von diesem Recht Gebrauch machen zu können. Ihre noch ausstehenden Zahlungen würden dann nicht in die Insolvenzmasse mit einfließen, sondern zu einem früheren Zeitpunkt im Insolvenzverfahren ausgesondert werden. Sie erhalten die fehlenden Abschlagszahlungen dann separat zurück. Da hierfür eine gerichtliche Klärung notwendig ist, würde das allerdings viel Zeit in Anspruch nehmen. Experten zweifeln außerdem daran, dass bei den Apothekern ein Aussonderungsrecht besteht. Sie werden daher vermutlich wie auch Angestellte, Banken und andere Betroffene, als Gläubiger gleichbehandelt.

Noventi-Übernahme

Seit Anfang November führt Noventi tatsächlich das Krankenhausgeschäft von AvP weiter. Der vorläufige Gläubigerausschuss hatte dem Vertrag zugestimmt. Noventi zahlte für die Übernahme 12 Millionen Euro. Im Laufe des Novembers sicherte Noventi sich auch die Lizenzrechte an der Rezeptauswertungs- und Analysesoftware Apofakt. Apofakt ist als umfassende Taxierungsplattform in die Krankenhausabläufe integriert und bietet Schnittstellen zu verschiedenen Spezialanwendungen und hauseigenen Krankenhaus-Informationssystemen, die beispielsweise SAP-basiert sind. Das alles trägt maßgeblich zur wirtschaftlichen Absicherung der Krankenhausapotheken, die von der AvP-Insolvenz betroffen sind, bei.

Wie geht es weiter – was betroffene Apotheken jetzt tun können

Nachdem die AvP Insolvenz angemeldet hatte, versuchten die meisten Apotheken ihre Verträge mit dem Apothekenrechenzentrum möglichst schnell zu kündigen. Diese Maßnahme hilft allerdings nur, um weiteren Liquiditätseinbußen vorzubeugen. Die fehlenden Abschlagszahlungen werden damit nicht zurückerstattet. Es liegt also bei den betroffenen Apothekern weitere Maßnahmen zu ergreifen. Wer dies nicht bereits getan hat, sollte im laufenden Insolvenzverfahren eine Forderungsanmeldung gegenüber AvP abgeben. Dabei ist allerdings keine schnelle Auszahlung des Geldes zu erwarten. Apotheken sollten sich auf ein möglicherweise langjähriges Insolvenzverfahren einstellen. In welcher Höhe am Ende des Verfahrens Auszahlungen stattfinden, kann noch nicht genau gesagt werden. Es gibt allerdings Hoffnung auf eine außergewöhnlich hohe Insolvenzquote.

Liquidität sichern

Für die betroffenen Apotheken geht es vor allem auch um die Sicherheit und den Erhalt der eigenen Liquidität. Da die Auszahlung der Abrechnungsgelder dauern kann, sollte eine längerfristige Finanzplanung mit möglichen Sondertilgungsoptionen aufgestellt werden. Viele fühlen sich dabei von der Politik im Stich gelassen, die außer den KfW-Kreditangeboten auf Bundesebene keine weiteren Liquiditätshilfen zur Verfügung stellt.

 

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