Wie der Ertragswert den tatsächlichen Wert einer Apotheke bestimmt

Die Bewertung von Apotheken ist eine anspruchsvolle Aufgabe, die sowohl für Verkäufer als auch für Käufer von großer Bedeutung ist. Besonders im Falle eines Verkaufs oder einer Übernahme stellt sich die Frage nach dem „richtigen“ Wert einer Apotheke, der weit über subjektive Einschätzungen hinausgehen sollte. Eine besonders fundierte und praxisorientierte Methode zur Wertermittlung ist das Ertragswertverfahren. Dieser Artikel widmet sich der Frage, wie das Ertragswertverfahren als entscheidender Indikator für die Apothekenbewertung fungiert und welche Aspekte bei der Anwendung berücksichtigt werden müssen.

 

Das Ertragswertverfahren: Eine Einführung

Das Ertragswertverfahren basiert auf der Annahme, dass der Wert einer Apotheke nicht allein durch vergangene Geschäftsergebnisse bestimmt wird, sondern vor allem durch die zukünftige Ertragskraft. Das bedeutet, dass nicht nur der aktuelle Umsatz oder der Jahresüberschuss berücksichtigt wird, sondern vor allem die langfristige Rentabilität des Unternehmens. Der Wert einer Apotheke wird im Wesentlichen aus den erwarteten zukünftigen finanziellen Überschüssen abgeleitet, die der Inhaber durch den Betrieb des Unternehmens erzielen wird.

Die Wertermittlung erfolgt dabei in zwei wesentlichen Phasen: der Detailplanungsphase und der Phase der „ewigen Rente“. In der Detailplanungsphase werden die finanziellen Erträge und Aufwendungen für einen Zeitraum von drei bis zehn Jahren prognostiziert. Danach wird in der Phase der ewigen Rente angenommen, dass die Apotheke langfristig stabile Erträge erwirtschaften wird, die durch eine fortlaufende Fortschreibung der letzten Planjahre abgebildet werden.

 

Die Bedeutung des bereinigten Jahresüberschusses

Zentral für das Ertragswertverfahren ist der bereinigte Jahresüberschuss, der den tatsächlichen Ertrag der Apotheke widerspiegelt. Der betriebliche Jahresüberschuss allein ist jedoch nicht ausreichend, um den Wert eines Unternehmens realistisch zu bewerten. Es müssen zusätzliche Faktoren berücksichtigt werden, um den tatsächlichen Ertrag der Apotheke zu ermitteln.

Ein entscheidender Aspekt dabei ist der kalkulatorische Unternehmerlohn. Während bei Kapitalgesellschaften der Geschäftsführerlohn als Betriebsausgabe verbucht wird, erfolgt dies bei Einzelunternehmen wie Apotheken nicht. Der kalkulatorische Unternehmerlohn stellt sicher, dass die Bewertung eine Vergleichbarkeit mit Kapitalgesellschaften herstellt. Dabei wird der Lohn des Inhabers als fiktive Position in die Berechnungen aufgenommen, um eine objektive Bewertung zu gewährleisten.

Zudem müssen auch die Ertragsteuern in die Berechnung einfließen. Diese beeinflussen den Cashflow und die Liquidität des Unternehmens und müssen daher ebenfalls berücksichtigt werden, um den nachhaltigen Ertrag der Apotheke zu ermitteln.

 

Vor- und Detailanalyse der Apotheke

Bevor eine realistische Prognose der zukünftigen Erträge erstellt werden kann, ist eine umfassende Vor- und Detailanalyse der Apotheke notwendig. In dieser Phase werden alle relevanten betriebswirtschaftlichen Kennzahlen zusammengetragen, die für die spätere Prognose von Bedeutung sind. Zu den wichtigsten Quellen gehören:

 

  • Jahresabschlüsse und betriebswirtschaftliche Auswertungen (BWA) der letzten Jahre
  • Lohnjournale zur Ermittlung der Personalaufwendungen
  • Rezept- und Verschreiberstatistiken, die Aufschluss über die Umsatzstruktur geben
  • Auswertungen der Warenwirtschaft, um die Effizienz der Bestandsführung zu beurteilen
  • Mietverträge, die langfristige finanzielle Verpflichtungen aufzeigen

 

Ein wichtiger Aspekt der Analyse ist die Identifikation und Neutralisierung von Sondereffekten, die den Jahresüberschuss verzerren könnten. So müssen beispielsweise außerordentliche Umsätze, die nur aufgrund von Sonderaktionen wie der Covid-19-Pandemie erzielt wurden, aus der Berechnung herausgenommen werden, da sie keine langfristige Relevanz besitzen.

 

Prognose der zukünftigen Erträge und Kosten

Nachdem die Voranalyse abgeschlossen ist, erfolgt die Prognose der künftigen Erträge und Kosten. Diese Prognose erstreckt sich über den Zeitraum der Detailplanungsphase und wird durch die Phase der „ewigen Rente“ ergänzt. In der Detailplanungsphase werden konkrete, absehbare Entwicklungen in der Wirtschaft, der Gesundheitsbranche und den individuellen Betriebsbedingungen der Apotheke berücksichtigt. Hierzu zählen unter anderem:

 

  • Geplante Investitionen, wie die Anschaffung neuer Software oder die Renovierung der Apotheke
  • Erwartete Veränderungen in der Kostenstruktur, wie etwa Lohnerhöhungen oder Mieterhöhungen
  • Änderungen in der gesetzlichen oder wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die Einfluss auf den Betrieb nehmen könnten

 

In der Phase der ewigen Rente wird davon ausgegangen, dass die Apotheke auch in der Zukunft stabile Erträge generiert. Die Werte des letzten Detailplanungsjahres werden dabei fortgeschrieben, wobei Anpassungen hinsichtlich Abschreibungen und Finanzierungsaufwendungen berücksichtigt werden.

 

Neutralisierung von Sondereffekten

Ein besonders wichtiger Schritt bei der Anwendung des Ertragswertverfahrens ist die Neutralisierung von Sondereffekten, die den Jahresüberschuss verzerren könnten. Diese Effekte können einmalige Ereignisse wie Sonderaktionen oder unregelmäßige Umsatzsteigerungen aufgrund von Saisonhochzeiten oder Marketingmaßnahmen umfassen. Auch private Ausgaben des Inhabers, etwa für ein Firmenfahrzeug, das auch privat genutzt wird, können den Wert beeinflussen und müssen daher aus der Berechnung herausgenommen werden.

Ein weiteres Beispiel sind unregelmäßige Arbeitszeiten des Inhabers. Wenn der Inhaber beispielsweise nur wenige Stunden pro Woche in der Apotheke arbeitet, während ein potenzieller Nachfolger die Apotheke in Vollzeit führen möchte, verändert sich die Personalkostenstruktur erheblich. In diesem Fall muss der kalkulatorische Unternehmerlohn angepasst werden, um die realistischen künftigen Personalaufwendungen zu berücksichtigen.

 

Wertbestimmung und Vergleichbarkeit mit Kapitalgesellschaften

Ein weiterer wichtiger Aspekt des Ertragswertverfahrens ist die Vergleichbarkeit mit Kapitalgesellschaften. Bei Kapitalgesellschaften werden die Geschäftsführergehälter als Betriebsausgaben in der Gewinn- und Verlustrechnung erfasst, was den Gewinn mindert. Bei Einzelunternehmen wie Apotheken wird das Gehalt des Inhabers jedoch nicht als Betriebsausgabe verbucht. Der kalkulatorische Unternehmerlohn sorgt dafür, dass diese Differenz ausgeglichen wird, sodass die Bewertung vergleichbar bleibt.

Die „ewige Rente“, die als langfristige Fortschreibung der letzten Planjahre interpretiert wird, stellt sicher, dass die Apotheke langfristig als rentabel eingeschätzt wird, solange sie stabile Erträge erwirtschaftet. Diese langfristige Prognose ist für Käufer und Verkäufer von entscheidender Bedeutung, da sie den tatsächlichen Wert des Unternehmens widerspiegelt.

 

Fazit: Der Ertragswert als zuverlässiger Indikator

Das Ertragswertverfahren stellt eine fundierte und zukunftsorientierte Methode zur Bewertung von Apotheken dar. Durch die detaillierte Prognose der künftigen Erträge und die Bereinigung von Sondereffekten wird der Wert einer Apotheke realistisch und nachhaltig ermittelt. Besonders für Verkäufer und Käufer ist das Verfahren ein wertvoller Indikator, da es die tatsächliche Ertragskraft der Apotheke widerspiegelt und somit einen objektiven und marktgerechten Preis ermöglicht.

Für Existenzgründer und Apothekeninhaber, die ihre Apotheke verkaufen möchten, stellt das Ertragswertverfahren eine unverzichtbare Grundlage dar, um den Unternehmenswert zu ermitteln und faire Verhandlungen zu führen. Durch die Berücksichtigung von Ertragsteuern, kalkulatorischem Unternehmerlohn und neutralisierten Sondereffekten wird ein realistisches Bild der finanziellen Zukunft der Apotheke gezeichnet.

 

 

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