Vor den gegenwärtigen politischen Entwicklungen und dem seit 2016 entbrannten Versandhandelskonflikt stellen sich viele Apotheker die Frage, ob es überhaupt noch Sinn macht, zusätzlich zur Vor-Ort Apotheke einen online Versandhandel anzubieten. Wir haben Ihnen in diesem Artikel alles Wichtige zum Thema zusammengestellt und zeigen auf, welche anderen Möglichkeiten des Wachstums es für Ihre Apotheke gibt.
Der Versandhandelskonflikt
Als der Europäische Gerichtshof (EuGh) am 19. Oktober 2016 entschied, ausländische Versandapotheken (zu denen unter anderem auch DocMorris gehört) von der Pflicht auf Einhaltung der Festpreise für verschreibungspflichtige Arzneimittel entband, wurde vielerorts Kritik laut. Denn seit diesem Urteil dürfen Versandapotheken Boni und Rabatte für die Einrichtung von Rezepten anbieten. Dies hat verehrende Folgen für die Apothekenbranche sowie für das gesamte deutsche Gesundheitssystem. Auch Mitglieder des Bundestags kritisierten diese Entwicklung, so auch Michael Hennrich, Arzneimittelexperte und Abgeordneter der CDU, der darin Gefahren für den fairen Wettbewerb sah. Bereits ein Tag nach Urteilsverkündung des EuGh forderte er deshalb unmittelbar ein Verbot von Rx-Arzneimitteln. Bis heute wird das Thema nicht nur im Bundestag mit geteilten Meinungen betrachtet. Vor allem auf Seiten der Regierung kam es zu gegensätzlichen Vorstellungen. Während sich die Bundeskanzlerin Angela Merkel 2017 klar für ein Verbot des Rx-Versandhandels aussprach, erklärte Brigitte Zypries (Bundeswirtschaftsministerin 2017-2018, SPD), der Versandhandel trage maßgeblich zu einer flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung bei und solle deshalb nicht durch ein derartiges Verbot beschränkt werden.
Derzeitiger Stand der Dinge im Konflikt um den Versandhandel
Auch im Jahr 2019 ist eine Einigung vorerst nicht in Sicht. Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) forderte zuletzt ein sog. Rx-Boni Verbot. So könnten ausländliche Versandhändler fortan keine Rabatte auf Rx-Arzneimittel anbieten und der faire Wettbewerb wäre wieder gegeben. Jens Spahn, Bundesminister für Gesundheit (seit 2018), CDU, schlug dagegen einen Boni Deckel von 2,50€ pro Packung vor. ABDA reagierte skeptisch: "Ausnahmeregelungen für europäische Versandhändler halten wir weder politisch, rechtlich noch im Sinne der Patienten für zielführend." CDU Politiker vom Fach haben sich mit Spahn nun auf ein Konzept geeinigt: Sie wünschen die strikte Gleichpreisigkeit von Rx-Arzneimitteln. Da dies jedoch gegen das Urteil des EuGh verstößt, ist geplant die neue Regelung in das fünfte Sozialgesetzbuch aufzunehmen. Hier sind unter anderem auch die Vergütungen für Heilberufler angesiedelt. Durch Aufnahme in das Sozialgesetzbuch wäre die Regelung also vor Eingriffen des EU-Rechts bewahrt. Doch die SPD stellt sich weiter quer, sie bemängeln die dadurch verbundene Benachteiligung des ausländischen Versandhandels. Auch die EU-Kommission hat sich nun eingemischt und fordert von der Bundesrepublik innerhalb von zwei Monaten einen Entwurf, der kompletten Aufhebung der Rx-Preisbindung für EU-Versender.
Zahlen, Daten, Fakten zum Versandhandel
- Der in- sowie ausländische Versandhandel hat laut ABDA derzeit (Stand Ende 2018) im Bereich verschreibungspflichtiger Arzneimittel einen Marktanteil von 1%.
- Im Bereich der rezeptfreien Arzneimittel sowie Nichtarzneimittel liegt der Marktanteil bei 17,7%.
- Von rund 2.899 Apotheken mit Versandhandelserlaubnis betreiben nur ca. 150 aktiven Versandhandel.
Gesetzesentwurf zur Stärkung von Vor-Ort Apotheken
Eine weitere Antwort auf die Versandhandelsdebatte soll die Einführung eines Gesetzes zur Stärkung von Vor-Ort Apotheken sein. Der Gesetzesentwurf zielt darauf ab, die flächendeckende Arzneimittelversorgung durch ortsnahe Apotheken zu verbessern. Im Zuge dessen sollen auch zusätzliche pharmazeutische Dienstleistungen vergütet und Nacht- und Notdienste besser honoriert werden. So soll die wichtige Funktion von Vor-Ort Apotheken gefördert und der Heilberuf als solcher nachhaltig gestärkt werden. Auch die ABDA begrüßt ein solches Vorhaben und setzt sich besonders für die Einführung von Grippe-Schutzimpfungen in Apotheken ein. Denn so könne die Versorgung der Patienten schneller und einfacher von Statten gehen und gleichzeitig würde die vor Ort Apotheke wieder an Bedeutung gewinnen. Doch die ABDA bemerkt auch, dass dieses Gesetz nicht als Ersatz für das Rx-Versandverbot gelten darf und fordert weiterhin die Preisbindung für EU-Versender.
Apothekenwachstum durch Rezeptsammelstellen
Strebt ein Apotheker Wachstum an, so entscheidet er sich in einer Vielzahl von Fällen für die Gründung einer Filiale oder die Einrichtung einer Online Apotheke. Während Ersteres in manchen Fällen finanziell nicht oder nur schwer möglich ist, steht die zweite Option immer häufiger unter Kritik. Eine dritte Möglichkeit, seinem Apothekenbetrieb kostengünstig und aufwandsvermindert Wachstum zu verschaffen, besteht (je nach Standort) durch die Einrichtung und Betreuung sog. Rezeptsammelstellen.
In abgelegenen Gebieten, in denen sich vermehrt kleine Ortschaften oder Dörfer befinden sind Vor-Ort Apotheken oftmals rar. Um mögliche Versorgungslücken zu schließen werden deshalb sog. Rezeptsammelstellen eingerichtet. In derartige Sammelbriefkästen können Patienten ihre Rezepte schmeißen, Angestellte von Apotheken größerer Orte leeren diese täglich und können so die jeweiligen Patienten betreuen. In der Regel liefern sie die Arzneimittel noch am selben Tag aus. Das hat auch Vorteile für weniger mobile Menschen. Durch den demografischen Wandel und die damit verbundene zunehmende Alterung der Gesellschaft bietet es sich auch laut Monika Bachmann, Gesundheitsministerin des Saarlandes, an, Rezeptsammelstellen einzurichten. Denn auch die Bevölkerung auf dem Land sollte einfacher und schneller mit Arzneimittel versorgt werden können.
Neben den herkömmlichen Sammelbriefkästen gibt es seit neustem auch die Möglichkeit, digitale Rezeptsammelstellen einzurichten, was Zeit und Wege spart. Derartige Automaten scannen das jeweilige Rezept und übertragen es direkt an die angeschlossene Apotheke. Derzeit gibt es in Deutschland zwei Gerätetypen: einen für den Einsatz unter freiem Himmel (derzeit im Saarland in Betrieb) und einen der eher für geschlossene Räume gedacht ist. In Baden-Württemberg ist Letzterer in Betrieb. Der Vorteil gegenüber dem Modell im Saarland ist, dass Kunden über das Terminal des Automaten auch direkt Kontakt per Nachricht oder Telefon mit der Apotheke aufnehmen können.
Rezeptsammelstellen in Baden-Württemberg
Laut einer Statistik der ABDA gibt es derzeit rund 1.221 Rezeptsammelstellen bundesweit, davon 169 in Hessen, 137 in Bayern, 128 in Sachsen und 117 in Baden-Württemberg.
Welchen Vorteil bieten Rezeptsammelstellen gegenüber online Apotheken?
Aus Sicht der Apotheker funktioniert diese Art der Arzneimittelversorgung besser als durch den online Versandhandel. Medikamente können schneller ausgeliefert werden und empfindliche Medikamente kommen sicherer an. Braucht ein Diabetiker bspw. Insulin, muss dieses im Sommer in jedem Fall gekühlt werden. Der Versandhandel kann einen derartigen gekühlten Transport in der Mehrheit der Fälle nicht sicherstellen, Vor-Ort Apotheken die Sammelstellen betreiben dagegen schon. Zudem garantiert der Botendienst durch Apotheker oder pharmazeutische Mitarbeiter den persönlichen Kontakt mit einem Fachmann.
Wie bekommt man die Erlaubnis, eine Sammelstelle einzurichten?
Um eine Erlaubnis für die Inbetriebnahme einer derartigen Rezeptsammelstelle zu bekommen, muss ein Apotheker zunächst bei der zuständigen Behörde bzw. Landesapothekerkammer einen Antrag stellen. Diese erteilt dann die Erlaubnis, eine derartige Sammelstelle für Rezepte einzurichten, wenn nachweisbar ist, dass das abgelegene Gebiet ohne dergleichen nicht ordnungsgemäß medizinisch versorgt werden kann. Stellen mehrere konkurrierende Apotheken einen Antrag, bekommt in der Regel diejenige die Erlaubnis, deren Entfernung zum zu versorgenden Ort geringer ist. Befinden sich die konkurrierenden Apotheken jedoch gleich oder nahezu gleich weit vom abgelegenen Ort entfernt, sind sie zu gleichen Teilen am Betrieb der Sammelstelle zu beteiligen. Apotheke A wäre dann bspw. für die Monate Juni bis November, Apotheke B von Dezember bis Mai zuständig. Somit wäre eine reibungslose, flächendeckende Arzneimittelversorgung der Bevölkerung gewährleistet.
Wo sollte ein derartiger Sammelkasten am Besten aufgestellt werden?
Am sinnvollsten ist es wohl, den Rezeptsammelkasten (gleich ob herkömmlich oder digitaler Natur) in der Nähe einer Arztpraxis aufzustellen. So können Patienten ihr Rezept unmittelbar nach dem Arztbesuch einwerfen oder einscannen, ohne in die nächste größere Ortschaft zur Apotheke fahren zu müssen. Gibt es im jeweiligen abgelegenen Ort/ Gebiet keine Arztpraxis, sollte der Kasten auf zentralen Flächen wie bspw. dem Marktplatz oder hoch frequentierten Straßenabschnitten oder am Bahnhof (falsch vorhanden) angebracht werden.
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