Filialisierung im Apothekenmarkt
Das Jahr 2004 war von großer Bedeutung für den Apothekenmarkt. Nachdem bereits 3 Jahre in Folge die Anzahl an Apothekenbetrieben rückläufig war, trat das GKV-Modernisierungsgesetz in Kraft. Dieses Gesetz brachte die Regelung mit sich, dass fortan Apotheker zusätzlich zur Hauptapotheke drei weitere Filialen eröffnen durften, die in räumlicher Nähe zueinander liegen müssen. Damit wendete sich der Negativtrend. Seither spielt die Filialisierung von Apotheken ein große Rolle im Markt.
Entwicklung von Apotheken und Filialen aktuell
Nachdem die Zahl der Apotheken 2008 Ihren Höchststand erreichte, sinkt die Zahl der Einzelapotheken, wird aber weitestgehend durch den Anstieg der Zahl der Filialapotheken kompensiert. Der Marktanteil von Filialen beträgt mittlerweile rund 40% (bestehend aus Apotheken im 2er, 3er, oder 4er Verbund). Die übrigen 60% und somit bisher noch das stärkste Standbein des Apothekenmarkts, bilden Einzelapotheken. Dieser Trend, mit mindestens 100 neuen Filialen pro Jahr war bisher knapp 10 Jahre beständig, bekam im Jahr 2018 aber eine neue Entwicklung. In der 2. Jahreshälfte 2018 sank die Zahl der Apothekenfilialen nun zum ersten Mal.
Es scheint eine Sättigung bei der Zahl de Apothekenfilialen erreicht zu sein. Doch spricht vieles dafür, dass Filialen weiterhin an Bedeutung gewinnen. Da der Abwärtstrend der Zahl aller Apotheken weiterhin besteht, die Filialzahl allerdings nur leicht sinkt, wächst im Umkehrschluss der relative Anteil von Filialen weiter. Aus diesem Grund ist die Filialgründung weiterhin ein wichtiges Thema für Apotheker.
Hintergrund der Entwicklung
Die Ursache dieser scheinbaren Sättigung könnte man damit erklären, dass der Anstieg der Filialzahl sich seit einigen Jahren weitestgehend aus Übernahmen von Einzelapotheken zusammensetzte. Beispielsweise entstanden im Jahr 2016 150 Filialen aus Übernahmen, während nur 60 neu eröffnet wurden. Im angesprochenen 2. Halbjahr 2018 konnten die neuen Filialen nun die Schließungen nicht mehr kompensieren, wodurch deutlich wird, dass nicht nur Einzelapotheken, sondern auch Filialen geschlossen wurden.
Denn steht die Wirtschaftlichkeit einer Apotheke in Frage, geht die Tendenz zudem eher dahin, dass Filialen anstatt Einzelapotheken geschlossen werden. Denn für den Inhaber steht die wirtschaftliche Existenz im Vordergrund, welche nicht an der Filiale hängt, sondern an der Wirtschaftlichkeit des Gesamtkonstrukts.
Die Filiale sollte also auf keinen Fall um jeden Preis erhalten werden. Der Profit des einzelnen Standorts muss weitestgehend gegeben sein. Denn eine Filiale in Misswirtschaft gefährdet den ganzen Filialverbund.
Zudem sind die Renditeerwartungen vieler Apotheker an die Filiale viel zu hoch. Rund 20% der Filialen erwirtschaften ein Betriebsergebnis von weniger als 25.000€ pro Jahr. Damit sind laut Treuhand Hannover 900 Filialapotheken als „ertragsschwach“ ausgemacht.
Filiale mit schlechterem Betriebsergebnis – aber warum?
Verglichen mit Einzelapotheken muss man wissen, dass Filialen tatsächlich signifikant schlechteres Betriebsergebnis aufweisen. Dieses liegt, Stand 2017, bei Filialen bei 4,9% und damit deutlich unter den 6,9% der Einzelapotheken. Im Hinblick auf den Umsatz stehen Filialen der eigenständigen Apotheke in nichts nach. Jedoch machen deutlich höhere Personalkosten von 12,3% des Umsatzes, verglichen mit 10,2%, am Ende den Unterschied.
Ausschlaggebend dafür ist Position des Filialleiters. Da die errechnete Differenz der Personalkosten von ca. zwei Prozentpunkten im Branchendurchschnitt in etwa 45.000€ entspricht, liegt es nahe, dass noch weitere Unterschiede hinsichtlich des Personals bestehen. Ein Filialleiter verursacht beim Arbeitgeber bereits mindestens 55.000€ Personalkosten, da er in der Regel übertariflich bezahlt wird. Die Treuhand Hannover lässt daher den Schluss zu, dass sich in Filialapotheken zusätzlich die Mitarbeiter weniger um die Bedienung der Kunden kümmern und sich Synergieeffekte einstellen.
Die Differenz der Personalkosten von Filiale und Einzelapotheke kann aber relativiert werden, indem man den Inhaber und dessen Arbeitskraft wertmäßig in die Kostenkalkulation miteinbezieht.
Worauf muss sich der Filialisierer einstellen?
Garantiert ist der Erfolg einer Filiale im Apothekenmarkt selbstverständlich nicht. Die Rahmenbedingungen muss jeder Apotheker im Voraus selbst bewerten und differenziert handeln, denn die Ausgangslagen können variieren. Den Anfang dieser Bewertung sollte der Filialisierer bei sich selbst machen und sich die Belastungen vor Augen führen, die auf ihn zukommen.
Wie steht es um die eigene Lebensplanung oder das persönliche Umfeld? Bestehen überhaupt eigene zeitliche Kapazitäten? Bringt man selbst genügend Führungsqualität und Belastbarkeit mit? Die Führung eines Filialverbunds begrenzt sich nicht mehr auf pharmazeutisches Wissen und Beratung der Kundschaft. Qualitäten im Bereich Management sind gefragt und müssen ausgebaut werden. Die Organisation des Verbunds muss insgesamt straffer gehalten werden. Die richtige Zielsetzung für die Apothekenfiliale ist enorm wichtig, um dann auch bei der Wahl des Standworts in Schwarze zu treffen. Das Ziel ist hier meist weniger der Ausbau der Rendite, als die Sicherung des bisherigen Standorts und nicht zuzulassen, dass die Konkurrenz im eigenen Gebiet Ihre Fühler ausstreckt.
Standortwahl der Filiale
Bei der Wahl des Standorts für eine neue Filiale empfiehl es sich folgende Faktoren genau unter die Lupe zu nehmen:
- Einzugsgebiet der Apotheke und Lage
- Zahlkraft und Alter der Bevölkerung am Standort
- Situation des bestehenden Wettbewerbs
- Zustand der Apotheke (Einrichtung, Räumlichkeiten,...)
- Frequenzbringer
- Verkehrsanbindung
- Anzahl und Altersstruktur sowie Fachrichtung der umliegenden Ärzte
- Perspektive des Standorts in ein paar Jahren
Den passenden Filialleiter auswählen
Ist die Entscheidung zur Eröffnung einer Filiale gefallen, stellt sich die Frage nach einem passenden Filialleiter. Teilweise bedeutet der Mangel an Bewerbern für die Filialleitung bereits das vorzeitige aus einer Filiale. Eine Filiale muss von einem Apotheker bzw. einer Apothekerin geleitet werden. Entscheidungskompetenzen, Verantwortung und Befugnisse der Filialleitung definiert dabei allerdings der Apothekeninhaber. Hierzu zählen betriebswirtschaftliche Fragen zu Themen wie Warenwirtschaft, Preisgestaltung oder Einkauf & Vertrieb sowie zu Personalthemen. Neben der fachlichen Kompetenz und unternehmerischen Qualitäten sollte die soziale Komponente der Führungskraft in der Filiale nicht zu kurz kommen. Hier bieten sich Schulungen an um in den Bereichen Verbesserungen zu erlangen.
Einer der zentralen Punkte bei der Filialisierung ist die Auswahl eines geeigneten Filialleiters. Dies ist angesichts eines spürbaren Mangels an Bewerbern für manche Filialen schon zum K.-o.-Kriterium geworden. Der künftige Filialist sollte sich im Vorfeld Gedanken machen, was er von seinem potenziellen Leiter erwartet. Die fachliche Qualität sollte selbstverständlich sein. Da die Filialleitung gleichzeitig Führungskraft wird, sollte auch auf Sozialkompetenz und unternehmerische Qualitäten geachtet werden. Durch entsprechende Schulungen kann man in dieser Hinsicht auch noch Verbesserungen erreichen.
Sobald die Filiale eröffnet ist, ist ein entscheidendes Aufgabenfeld des Filialleiters zudem die laufende Optimierung der Geschäftsabläufe und das Schaffen oder Erhalten von Synergieeffekten, die eine Filialbildung mit sich bringen soll.
Synergien schaffen – Controlling ist wichtig
Controlling beim Führen einer Filiale ist entscheidend. Der Apothekeninhaber kann nicht in allen Filialen gleichzeitig sein, muss sich neben der Führung daher verstärkt auf die Steuerung betriebswirtschafltichen Paramter konzentrieren. Die einzelnen Filialen müssen dabei zunächst eindeutig von einander getrennt betrachtet werden können, wenn es um die Buchhaltung, um Umsätze und Kosten geht. Diese Kennziffern müssen dann in einem einheitlichen System bzw. unter den selben Standards beurteilt werden.
Ist dies gegeben, können in verschiedenen Bereichen zwischen den Filialen Synergien geschaffen werden. Typische Faktoren sind hier ein gemeinsamer Einkauf, Fortbildungen und auch der mögliche Austausch von Personal zwischen den Standorten, durch welche der gesamte Apothekenverbund profitiert. Ein weiterer Punkt ist einheitlicher Marktauftritt gegenüber der Kundschaft. Doch bei einer zentralen Vermarktung muss bedacht werden, dass die Zielgruppen der einzelnen Filialen stark von einander abweichen können und unterschiedlich angesprochen werden müssen. Ein einheitliches Marketing Konzept hängt daher stark an der Homogenität der Zielgruppen.
Der Apothekenmarkt und speziell die Apotheke als Filialverbund steht also weiterhin spannenden Zeiten bevor. Bei der Entscheidung hin zur Filiale und weg von der Einzelapotheke sollten demnach, wie hier beschrieben, immer mehrere Faktoren betrachtet werden und bestenfalls ein erfahrener Berater hinzugezogen werden.
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