Controlling in der Apotheke - Warenlager

Das Warenlager ist das Herzstück einer jeden Apotheke. Hier stecken weit über hunderttausende von Arzneimitteln und Homöopathika. Aus diesem Grund ist eine gute Lagerhaltung das A und O - das Geschäft steht und fällt mit der Balance zwischen Lieferfähigkeit und Kapital- bzw. Personalressourcenbindung. Doch eine perfekte Lager- und Warenhaltung gibt es nicht! Ein jeder Inhaber muss sich stets darauf einstellen, gewisse Kompromisse einzugehen was die Wünsche der Kunden und die eigenen Vorstellungen und Bestrebungen anbelangt. Steigende Artikelzahlen mögen zwar die Kunden zufriedener stellen, jedoch sind diese für den Inhaber mit wachsenden Personalkosten und zusätzlichem Aufwand  sowie vor allem mit mehr Kapitalbedarf und einer höheren Kapitalbindung verbunden. Somit steigt das Risiko. 

1. Lagerdrehzahl

Diese erste Kennzahl eignet sich vor allem dazu, zu beurteilen wie schnell (oder langsam) sich das Lager umschlägt, das heißt wie schnell gewisse Kategorien an Arzneimittel das Lager nach dem Einkauf wieder verlassen. Zur Berechnung wird folgende Formel verwendet:

Wareneinsatz / Warenlagerwert = Lagerdrehzahl

Beispiel

Ein Apotheker kauft Waren im Wert von 1 Mio. Euro. In seinem Lager befinden sich Waren im Wert von 200.000€.

1.000.000 / 200.000 = 5

Das heißt, der Apotheker schlägt seine Vorräte 5x im Jahr um. Das heißt also er befindet sich im unteren Bereich, sollte demnach seinen Lagerbestand überdenken.

Zu beachten ist, dass in die Formel stets Nettowerte (also ohne Mehrwertsteuer) eingetragen werden müssen. Zu Orientierung: angestrebt werden sollten möglichst hohe Werte, Mittelwerte im guten Bereich sind bspw. zwischen 11 und 13, Spitzenwerte sind 14 und größer.

2. Lagerwert in Umsatz-%

Der Lagerwert in Umsatz-% sagt aus, wie hoch der Anteil des Umsatzes am Lager ist. Da sich der Wareneinsatz bzw. der Rohgewinnsatz je nach Apotheke nicht um Größenordnungen unterscheidet, kann man den Lagerwert prozentual vom Nettoumsatz als Anhaltspunkt nehmen. Je weniger der Lagerwert vom Gesamtumsatz, desto besser! Erstrebenswert sind bspw. Werte unter 10%, der Durschnitt beträgt zwischen 5,5% und 7%. Beste Werte wie in etwa unter 5% sind meist nur in Spezialfällen erzielbar, wie in etwa bei Landapotheken - denn hier ist ein Wert von unter 5% erreichbar, ohne dass die Lieferfähigkeit der Apotheke zu sehr darunter leidet. Dies liegt daran, dass Landapotheken in der Regel nur einen kleinen Kreis an Patienten bedienen, über deren Bedürfnisse der jeweilige Apotheker genauestens Bescheid weiß. 

3. Lieferfähigkeit

Eine dritte wichtige Kennzahl ist die der Lieferfähigkeit. Man unterscheidet hier grundsätzlich zwischen kundenbezogener und packungsbezogener Lieferfähigkeit: Erstere orientiert sich daran, wie viel Prozent der Kunden ohne Nachlieferung sofort versorgt werden können. Zweitere geht danach, wie viel Prozent der Packungen (bezogen auf den Gesamtabsatz) nachgeliefert werden bzw. wie viel angefragt aber doch nicht verkauft wurde (sog. „Neinverkäufe“). Zu beachten ist, dass die prozentuale, kundenbezogene Lieferfähigkeit immer unter der packungsbezogenen Lieferfähigkeit liegt. Dies liegt daran, dass ein durchschnittlicher Kunde meist mehr als nur eine Packung pro Besuch kauft.

  • Anzustrebende Werte liegen bezogen auf die Kunden bei 90%, bezogen auf die Packungen bei 95%. Kleine Apotheken erreichen solche Werte jedoch nur in äußersten Ausnahmefällen.

Wann weiß ein Apotheker nun, ob er seine Liefertätigkeiten erhöhen oder sein Warenlager verkleinern soll? Wir haben Ihnen eine Liste mit den wichtigsten Kriterien zusammengestellt:

  • Gibt es viele Apotheken in der näheren Umgebung, so wird sich ein Apotheker womöglich eher gegen einer Vergrößerung seines Lagers entscheiden. Ist der Anteil hochpreisiger Verordnungen verhältnismäßig hoch, so wird er im Gegenteil sich eher dazu entschließen, das Lager dementsprechend zu erweitern. Weiß der Apotheker um ein etabliertes Ärzteumfeld, so hat er die Sicherheit, stets Patienten in seiner Apotheke bedienen zu können; was schließlich auch zur Folge hätte, dass er sein Lager erweitert. Ein essentieller Block stellen auch die Standortfaktoren dar. Weiß ein Apotheker um den guten Standort seiner Apotheke, das heißt: liegt sie im Zentrum, ist sie gut zu Fuß wie auch mit dem Auto zu erreichen etc., dann kann er sich auf einen konstanten Kundenstrom verlassen und entscheidet sich womöglich eher dazu, sein Lager zu erweitern, als wenn seine Apotheke in einem niedrig frequentierten Stadtbezirk oder Einkaufsstraße befindet.

4. Kapitalbildung und Lagerkosten

Die Kosten für die Lagerhaltung setzen sich aus der Kapitalbindung, den Zinskosten, den anteiligen Raumkosten sowie aus den Investitionskosten für die Aufbewahrung der Vorräte zusammen. Hinzu kommen Personalkosten und das Verfalls- bzw. Retourenrisiko.

Was heißt das nun also konkret? Welche Kosten kommen auf den Apotheker zu? Hinsichtlich der Zinsen kann zunächst einmal festgehalten werden, dass – je nach Finanzierungsart –Prozentsätze zwischen 4% und 10% pro Jahr anfallen werden können. Über die Bank ist die Finanzierung längerfristig wohl am günstigsten. Besitzt der Apotheker Eigenkapital, hat also keinen Kredit aufgenommen, so  liegt der Zinssatz kalkulatorisch zwischen 7,5% und 10% pro Jahr. Die anteiligen Raum- und Investitionskosten werden quadratmeteranteilig berechnet. Zudem werden die Raumkosten für das Lager und die Anschaffungskosten für Aufbewahrungsmöbel auf die tatsächliche Nutzdauer verteilt. Da das Lager im Schnitt zwischen 20% und 30% der Gesamtfläche der Apotheke ausmachen sind die anteiligen Raumkosten die am höchsten liegenden Posten. Was die anteiligen Personalkosten betrifft, richtet man sich in etwa an 2 bis 3% des gesamten Warenlagerwerts. Zu beachten ist, dass nicht herkömmliches Einbuchen oder Einräumen berücksichtigt werden, sondern nur zusätzliche Lagerarbeiten. Das Verfalls- und Retourenrisiko beschreibt den Gesamtwert der verfallene Arzneimittel / sonstigen Ware, inklusive der Verluste bei Warenretouren die nicht zu 100% erstattet wurden. Die Werte des Verfalls- und Retourenrisikos liegen in etwa zwischen 2% bis maximal 5%. Belaufen sich die Werte des Retourenrisikos bspw. auf 9%, so sollte der Apotheker seinen Lagerbestand erneut überdenken und Waren, die regelmäßig vor Verkauf verfallen gegebenenfalls aus dem Sortiment nehmen.

Ziel ist es im Allgemeinen, die Kapitalbindung, also derjenige Betrag auf den für einen bestimmten Zeitraum x nicht zugegriffen werden kann, so gering wie möglich zu halten. Gleichzeitig sollte darauf geachtet werden, Investitions- sowie Personalkosten verhältnismäßig niedrig zu halten – was sich nicht immer ganz einfach gestaltet.

Mit berücksichtigt werden sollte außerdem, dass 10.000€ zusätzliches Lager automatisch zusätzliche Lagerkosten von zwischen 100 und 200€ pro Monat bedeuten. Ein Apotheker sollte sich im Vorhinein also gut überlegen, ob es Sinn macht das Lager zu erweitern! Dafür kann die folgende 5. Kennzahl genutzt werden:

5. Kapitalrentabilität

Um beurteilen zu können, ob sich die Investition in eine Ware x lohnt, muss zunächst die Kapitalrentabilität errechnet werden. Dies erfolgt mittels drei wesentlicher Parameter:

  1. Welcher Rohgewinn fällt in welchem Zeitraum an?
  2. Wie hoch ist die Zeit der effektiven Kapitalbindung & welches Kapital wird zu welcher Zeit gebunden?
  3. Wie groß ist die Lagerdauer*?

*Lagerdauer: Zeit, die eine Ware von der Einlagerung bis zum Verkauf durchschnittlich im Lager verbringt.

Die Formel zur Berechnung der Kapitalrentabilität lautet:
Rohgewinn / Kapital(K) x Zeit(t) x 100%

K = durchschnittliches über die Zeit t gebundenes Kapital

Beispiel
Ein Apotheker entscheidet sich dazu, zwei Produkte z und y hinsichtlich ihrer Rentabilität miteinander zu vergleichen.

 

Ware z Ware y

Einkaufswert pro Packung

7,00€ 12,00€

Rabatt

15% 10%

Effektiver Einkaufswert

5,95€ 10,80€

Verkaufspreis

10,00€ 19,00€

Rohgewinn pro Packung

4,05€ 8,20€

Bestellmenge in Packung

1.000 1.000

Lager-/Handlingskosten

12% 12%

Lager-/Handlingskosten absolut

Voraussichtl. Abverkaufszeit

3 Monate 9 Monate

 

Der Apotheker verkauft von Produkt x von 1.000 bestellten Packungen 750. Der Rohgewinn beträgt für Produkt z also 3.037,50€. Produkt y wird dagegen nur 550x verkauft. Der Rohgewinnt beträgt hier 4.510€.

Produkt z

K = Rechnungsbetrag / 2; d.h. 5950€ / 2 = 2975€.

T = Abverkaufs Frist – Zeit, in der Rechnung tatsächlich bezahlt wird; d.h. 3 Monate – 1,5 Monate = 1,5 Monate

Die Kapitalrentabilität in % berechnet sich dann wie folgt:

Produkt z =  x 100% = 68,07%

Produkt y

K = 10.800 / 2 = 5.400€

T = 9 Monate – 3 Monate = 6 Monate

Produkt y =  x 100% = 1,39%

  • Produkt z schneidet also deutlich besser ab! Rentiert sich für den Apotheker also mehr.
  • Rohgewinn = Nettoverkaufswert - effektivem Einkaufswert
  • Das durchschnittlich gebundene Kapital der Apotheke kann mit der Hälfte des Rechnungsbetrags angesetzt werden, falls der Abverkauf der Ware gleichmäßig stattfindet
  • t ergibt sich aus der Abverkaufsfrist abzüglich der Zeit, die vergeht, bis die Rechnung tatsächlich vom Kunden bezahlt wird

6. Topseller und ABC-Analyse

Jeder Einzelhändler, wie natürlich auch jeder Apotheker kommt irgendwann an den Punkt, an dem er sich die Frage stellt: „Welche Artikel werden am Besten verkauft? Welche sind dagegen wahrhafte Ladenhüter?“. Um sich einen besseren Überblick darüber zu verschaffen, welche Waren am umsatzstärksten bzw. schwächsten sind, kann die sog. ABC-Analyse zu Rate gezogen werden. Hierbei werden die einzelnen Artikel wie folgt kategorisiert: A, B und C. Erstere sind dabei die sog. Top-Seller, Letztere die Ladenhüter. Kriterien der Einteilung sind bspw. Umsatz, Ertrag und Lagerdrehzahl.

Die 6 Schritte der ABC-Analyse

a) Selektionskriterium wählen (Umsatz, Ertrag, Lagerdrehzahl)

b) Sortierung der Ware gemäß diesem Kriterium

c) Berechnung des prozentualen Anteils an der Gesamtsumme

d) Berechnung der kumulativen Summe (immer im Hinblick auf das gewählte Kriterium)

e) Festlegung von Grenzen: zum Beispiel sind die Artikel, die 75% des aufsummierten Ertrags erbringen die sog. A-Artikel; Artikel die nur 15% erbringen sind B-Artikel; alles darunter sind C-Artikel

f) Konsequenzen ziehen und Entscheidungen hinsichtlich der Bestückung des Lagers treffen

Beispiel einer ABC-Analyse

Artikel

Rohertrag

%-Anteil

% kumulativ

Klasse (A,B, C)

Grippe-Adé

8.600

38%

38%

A

Magenfein

7.500

23%

61%

A

Nervenwohl

6.100

15%

76%

A

Slim-Mix

2.100

24%

100%

B

SUMMEN:

243.000

100%

 

 

 

In diesem Fall wäre es sinnvoll, die der Klasse A angehörigen Arzneimittel weiterhin konstant im Lager zu führen. Bei dem Slim-Mix würde es sich anbieten, die Umsatz- und Verkaufsentwicklung weiterhin zu beobachten und dann zu entscheiden, ob und in welchem Ausmaß das Produkt weiterhin in der Apotheke geführt werden soll. 

Zu beachten ist auch, dass die ABC-Analyse nicht nur in Bezug auf die Ware eingesetzt werden kann! Man kann damit auch Kunden kategorisieren. Es ergibt sich bspw. die Einteilung in Top-, Durchschnitts- und Gelegenheitskunden. Hier werden dann nicht die Artikel, sondern die Einkaufsgewohnheiten der Kunden betrachtet. Je nach Ergebnis kann dann bspw. das Warensortiment oder der Werbeauftritt der Apotheke angepasst werden.

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Controlling für Apotheker

Folgende Leistungen bieten wir Ihnen dazu an: