Arbeitsrechtliche Konfliktpotenziale bei einer Apothekenübernahme

Immer wieder kommt es zum (Ver-)Kauf von Apotheken. Dabei werden in erster Linie die bestehenden Räumlichkeiten sowie das Inventar und jegliche Arzneimittel vom neuen Inhaber übernommen. Doch was passiert eigentlich mit den Mitarbeitern, wenn die Apotheke einen Inhaberwechsel erfährt? In welchem Umfang werden bestehende Arbeitsverhältnisse weitergeführt? Wir haben Ihnen in diesem Artikel alles Wichtige zum Thema Arbeitsrecht bei Übernahme zusammengestellt, damit Sie nicht in die Konfliktfalle tappen.

Folgen für bestehende Apotheken-Arbeitsverhältnisse

Das Wichtigste zuerst: Übernimmt ein Apotheker den Betrieb eines anderen, so übernimmt er automatisch die Gesamtheit dessen Rechte und Pflichten. Gleichzeitig bleiben bisherige Gehaltsabsprachen sowie Vergünstigungen und Personalrabatte erhalten. Möchte der neue Arbeitgeber Änderungen im bestehenden Vertrag vornehmen, so geht dies nur dann, wenn der Arbeitnehmer damit einverstanden ist. Gerade in der Apotheke ist die Übernahme der bestehenden Arbeitsverhältnisse von großem Vorteil, denn die Mitarbeiter sind ein wichtiges Mittel der Kundenbindung und verfügen über wertvolles Know-how. Das garantiert auch, dass das alltägliche Geschäft reibungslos weitergeführt werden kann und sich am Arbeitsalltag nichts ändert. Lediglich die Person in der Rolle des Apothekeninhabers wird ausgetauscht.

Praxistipp

Ein bestehender Arbeitsvertrag kann dann aufgelöst werden, wenn ein sog. Aufhebungsvertrag abgeschlossen wurde. Hierbei vereinbaren Arbeitgeber und Arbeitnehmer in gegenseitigem Einvernehmen das endgültige Ausscheiden des Letzteren.

Bietet der neue Arbeitgeber einem seiner Mitarbeiter die Aufhebung des bestehenden Arbeitsverhältnisses an und stimmt dieser nicht zu, so müsste der Arbeitgeber ihm kündigen. Eine Kündigung ist jedoch nur dann möglich, wenn ein triftiger Grund vorliegt, der auch nach dem Kündigungsschutzgesetz weiterhin greift. Einen Mitarbeiter aufgrund des Betriebsübergangs zu entlassen ist arbeitsrechtlich nämlich nicht möglich.

Unterschied Kündigung und Aufhebung des Arbeitsvertrags

Bei einer Aufhebung gibt es keine Kündigungsfrist! Durch einen Aufhebungsvertrag kann ein Arbeitsverhältnis also kurzfristig beendet werden. Weiterhin fällt der gesetzliche Kündigungsschutz weg! Das heißt also, dass die sozialen Kriterien des jeweiligen Arbeitnehmers nicht überprüft und demnach nicht berücksichtigt werden. Ist eine Apothekenmitarbeiterin bspw. schwanger, was ihr eigentlich besonderen Schutz vor eine Kündigung bietet, muss der Arbeitgeber dies bei der Unterzeichnung eines Aufhebungsvertrags nicht berücksichtigen.

Haftung für Verbindlichkeiten

Der neue Inhaber der Apotheke haftet in der Regel für alle bestehenden Verbindlichkeiten seines Vorgängers. So bspw. auch für rückständigen Lohn oder künftige Lohnansprüche seiner Mitarbeiter. Der ehemalige Inhaber haftet dagegen für alle Verpflichtungen, die vor dem Betriebsübergang entstanden und fällig geworden sind sowie für diejenigen Verpflichtungen, die vor der Übernahme entstanden und ein Jahr danach fällig geworden sind.

Geltung von Tarifverträgen

Werden Mitarbeiter aufgrund der Mitgliedschaft bei der ABDA oder einer Gewerkschaft gemäß eines Tarifvertrags bezahlt, so gilt dies auch weiterhin bei Inhaberwechsel. Ist der jeweilige Arbeitnehmer nicht oder nicht mehr Teil eines Verbands oder einer Gewerkschaft ist, so sind weder Arbeitnehmer noch Arbeitgeber an einen Tarifvertrag gebunden. Sollte dies der Fall sein, wird der bestehende Tarifvertrag in einen herkömmlichen Arbeitsvertrag transformiert.

Vorsicht bei Kleinapotheken

Kleine Apothekenbetriebe mit maximal zehn Mitarbeitern sind ausgenommen vom Kündigungsschutzgesetz. Das heißt aber nicht automatisch, dass Arbeitgeber ihre Mitarbeiter einfach wahllos kündigen dürfen, ohne rechtliche Konsequenzen einfahren zu müssen. Denn die Arbeitnehmer haben nach wie vor einen gewissen Schutz vor Kündigung, auch wenn dieser weitaus geringer ausfällt. Inhaber einer Kleinapotheke können bspw. Mitarbeiter, die zu wenig leisten können/ wollen kündigen. Eine derartige sog. Low-Performance-Kündigung ist in vergleichsweise größeren Apothekenbetrieben aufgrund des Kündigungsschutzes nicht zulässig. Dennoch gilt zu beachten, dass bspw. Schwangere, Mitarbeiter in Mutterschutz oder Elternzeit oder Angestellte, die Familienangehörige pflegen nach wie vor einen gesonderten Kündigungsschutz besitzen.

Rechte und Pflichten der Arbeitgeber/ Arbeitnehmer in Sachen Arbeitsvertrag

  • Informationspflicht des Arbeitgebers

Der alte und der neue Inhaber der Apotheke sind dazu verpflichtet, ihre Mitarbeiter über die Übernahme zu informieren. Dabei muss der Zeitpunkt/ der geplante Zeitpunkt des Vorhabens, der Grund sowie die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Betriebsübernahme für den Arbeitnehmer in Textform an die Mitarbeiter der Apotheke übermittelt werden.

Praxistipp

Verfassen Sie das Informationsschreiben mit Sorgfalt und gemäß der gesetzlich vorgeschriebenen Informationspflichten.. Anderenfalls laufen Sie Gefahr, dass das Widerspruchsrecht der Mitarbeiter auch nach der eigentlichen Frist weiterbesteht. Dies würde sich sowohl auf die Planungssicherheit des alten als auch des neuen Inhabers negativ auswirken. Empfehlenswert ist es deshalb in jedem Fall, sich hierbei Unterstützung durch einen Steuerberater zu holen.

  • Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers

Da die Apothekenmitarbeiter grundsätzlich nicht dazu gezwungen sind, sich mit dem Betrieb an einen neuen Inhaber ‚verkaufen’ zu lassen, können sie gegen die Übernahme des bestehenden Arbeitsverhältnisses Einspruch erheben. Dies muss ebenfalls schriftlich, also in Textform erfolgen. Zu beachten ist jedoch, dass dieses Widerspruchsrecht nur binnen eines Monats nach Bekanntgabe der Übernahme gilt. Wurde der Arbeitnehmer nicht oder nicht ordnungsgemäß über die Apothekenübernahme informiert, so greift diese Frist nicht.

Muster zur Unterrichtung der Mitarbeiter durch den Apothekeninhaber

Sehr geehrte Frau Maier, ich habe die Sonnenblumen-Apotheke aus Altersgründen mit Wirkung zum 01.01.2020 an Herrn Sebastian Müller, Mühlwiesenstraße 18, 70372 Stuttgart Apothekerin verkauft.

Zu diesem Zeitpunkt geht Ihr Arbeitsverhältnis gemäß § 613a BGB auf meinen Nachfolger über. Der Übergang erfolgt unter Wahrung aller bestehenden Rechte und Pflichten aus Ihrem Arbeitsverhältnis. Dies bedeutet, dass Ihre Rechte wie z.B. Betriebszugehörigkeit, Urlaubs- und Gehaltsansprüche unverändert fortbestehen. Gleichzeitig sind auch Sie an die bisherigen Regelungen zu Art und Umfang Ihrer arbeitsvertraglichen Pflichten wie z. B. Arbeitszeit und Tätigkeitsbereich gebunden. Der Bundesrahmentarifvertrag gilt weiter, da er Bestandteil Ihres Arbeitsvertrages ist (oder: da sowohl Sie als auch mein Nachfolger Mitglied der entsprechenden tarifschließenden Partei sind). Diese Regelungen dürfen vor Ablauf eines Jahres nicht zu Ihrem Nachteil geändert werden. Für Verpflichtungen, die vor dem Übergang entstanden sind, hafte ich neben meinem Nachfolger als Gesamtschuldner, soweit diese innerhalb eines Jahres fällig werden. Werden solche Verpflichtungen erst nach dem Übergang fällig, hafte ich jedoch nur in dem Umfang, der dem im Zeitpunkt des Übergangs abgelaufenen Teil ihres Bemessungszeitraumes entspricht.

Wegen des Betriebsüberganges kann Ihr Arbeitsverhältnis nicht gekündigt werden. Das Recht zur Kündigung aus anderen Gründen bleibt jedoch unberührt. Besondere Maßnahmen wie Umstrukturierung, Weiterbildung oder Maßnahmen der beruflichen Entwicklung sind von meinem Nachfolger zurzeit nicht geplant. Sie können dem Übergang Ihres Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Monats nach Erhalt dieser Information schriftlich mir oder meinem Nachfolger gegenüber widersprechen. Der Widerspruch führt dazu, dass Ihr Arbeitsverhältnis nicht auf meinen Nachfolger übergeht. Da ich Sie jedoch nach dem Betriebsübergang nicht weiterbeschäftigen kann, müsste ich das zwischen uns bestehende Arbeitsverhältnis in diesem Fall fristgemäß zum nächstmöglichen Termin kündigen. Ich bitte Sie, mir den Erhalt des Schreibens auf der beigefügten Kopie zu bestätigen.

Stuttgart, den 10.09.2019

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