Das Jahr 2023 bringt für Apotheker eine Vielzahl von Herausforderungen mit sich. Von Lieferschwierigkeiten, über fehlendes Personal bis zum höheren Kassenabschlag gibt es einige Schwierigkeiten zu meistern. Apotheker müssen in der Lage sein, schnell auf Veränderungen zu reagieren, um wettbewerbsfähig zu bleiben. In diesem Artikel werfen wir einen Blick auf einige der wichtigsten Probleme, mit denen Apotheker im Jahr 2023 konfrontiert sind und was sie tun können, um diesen Herausforderungen zu begegnen.

Lieferengpässe als Dauerproblem

Die aktuelle Lieferknappheit von hunderten Arzneimitteln bringt die Mitarbeitenden der Apotheken an ihre Grenzen. Trotzdem tun sie ihr Bestes, um eine angemessene Patientenversorgung sicherzustellen. Lieferengpässe gehören zu den größten Ärgernissen im Berufsalltag von etwa zwei Drittel der selbständigen Apotheker, was auf den steigenden Trend hinweist. Die Gründe für den Mangel sind vielseitig und reichen über Kostendruck im Gesundheitswesen, der Wirkstoffproduktion im Ausland, exklusiven Rabattverträgen bis zu den Folgen des Ukraine-Kriegs. Nahezu zwei Drittel der Apotheken in Deutschland widmen mehr als 10 % ihrer Arbeitszeit der Suche nach Lösungen für Lieferengpässe.

Pauschale Vergütung Lieferengpass-Management

Der Referentenentwurf für ein „Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz“ soll Antwort auf die Probleme mit Lieferengpässen geben. Neu ist eine pauschale Vergütung von 50 Cent für das Lieferengpass-Management in den Apotheken. »Für Arzneimittel, für die der Beirat eine versorgungskritische Lage festgestellt hat und für die die Apotheke eine Rücksprache mit dem Arzt halten muss, wird den Apotheken eine Aufwandspauschale in Form eines in der AMPreisV verankerten Zuschlags in Höhe von 0,50 Euro vergütet«, heißt es in den Eckpunkten.
Apotheken sehen dies als Schritt in die richtige Richtung. Dennoch wird der Betrag als nicht ausreichend kritisiert. Zudem sind einige Maßnahmen zur Entlastung von Patienten, die aufgrund von Liefer- oder Versorgungsengpässen mit Arzneimitteln im Wege der Auseinzelung versorgt werden müssen, geplant. So soll diesen Patienten die Zuzahlung erlassen werden. Darüber hinaus soll die Zuzahlung bei der Abgabe von Einzelpackungen bei nicht lieferbaren, verordneten größeren Packungen auf die Zuzahlung des verordneten Arzneimittels begrenzt werden. Diese Maßnahmen sollen dazu beitragen, dass Patienten, die aufgrund von Lieferengpässen eine Auseinzelung der Medikamente benötigen, nicht zusätzlich finanziell belastet werden.

Vorgehen in der Apotheke

Wenn Apotheker auf der Suche nach einem bestimmten Medikament sind, wenden sie sich zuerst an verschiedene Großhändler. Sie können aber auch direkt beim Hersteller des Medikaments anfragen, ob es noch verfügbar ist. In manchen Fällen kontaktieren sie sogar benachbarte Apotheken, um zu sehen, ob diese noch einige Packungen übrig haben.

Wenn das gesuchte Medikament nicht mehr verfügbar ist, gibt es möglicherweise andere Präparate anderer Hersteller, die den gleichen Wirkstoff haben. Auch gibt es oft andere Darreichungsformen oder Dosierungen (Wirkstärken) des gesuchten Wirkstoffs. In einigen Fällen können Apotheken das Medikament auch aus dem Ausland importieren.

Falls kein gleichwertiges Medikament mit demselben Wirkstoff verfügbar ist, muss die Apotheke im Vorfeld Rücksprache mit dem behandelnden Arzt halten, um zu sehen, ob ein alternatives Medikament in Frage kommt. Wenn kein passendes Ersatzmedikament gefunden wird, muss der Arzt ein neues Rezept ausstellen, bevor das Medikament ausgehändigt werden kann. Daher ist es für Patienten gerade auch empfehlenswert, vor allem bei Medikamenten, die regelmäßig benötigt werden, genug Zeit einzuplanen. Somit bleibt noch Zeit für die Suche nach einer Lösung, wenn gerade ein Lieferengpass besteht.

In einigen Fällen können Apotheken Medikamente sogar selbst herstellen, sofern der grundlegende Wirkstoff noch verfügbar ist. In diesem Fall benötigen sie jedoch ein neues Rezept vom Arzt, um sicherzustellen, dass die Kosten von der Krankenkasse übernommen werden.

Maßnahmen für Apotheken

Gravierende Lieferengpässe dauern meist deutlich länger als eine Woche. Dennoch können Apotheken mit mit einer logistisch sinnvollen Lagerhaltung und pharmazeutischem Handeln Verfügbarkeitsschwankungen bestmöglichst überbrücken. Dazu gibt es einige Maßnahmen.

  • Die sofortige Belieferung einer Akutmedikation. Diese hat in der Apotheke oberste Priorität. Dabei ist der akuten Versorgung, einschließlich der nahtlosen Weiterführung der Dauertherapie, Vorrang vor einem eventuellen Rabattvertrag einzuräumen. Aus diesem Grund existiert das Sonderkennzeichen "Akutversorgung", das die Apotheke bei Bedarf anwenden kann.
  • Wenn ein Lieferdefekt vorliegt und das benötigte Medikament nicht verfügbar ist, kann die Apotheke das Sonderkennzeichen "Nichtlieferbarkeit" verwenden und auf ein vergleichbares Arzneimittel eines anderen Herstellers ausweichen. In manchen Fällen kann die verordnete Dosis nicht verfügbar sein, und in solchen Fällen kann die Apotheke eine höhere Dosis teilen, um die benötigte Dosis zu erreichen.
  • Die Verfügbarkeit von nicht lieferbaren Arzneimitteln sollte permanent überwacht werden. Wenn sich eine Nichtlieferbarkeit eines Arzneimittels abzeichnet, kann eine Apotheke dadurch rechtzeitig auf einen anderen noch lieferfähigen Hersteller ausweichen und sich ausreichend bevorraten. In diesem Zusammenhang ist die Vergleichssuche der Warenwirtschaftssysteme sehr hilfreich.
  • Für den Nachtdienst oder den Notdienst an Sonn- und Feiertagen sollte für eine ausreichende Bevorratung mit den voraussichtlich benötigten Arzneimitteln gesorgt sein. Auf diese Weise kann sichergestellt werden, dass die Apotheke jederzeit in der Lage ist, Patienten mit den benötigten Medikamenten zu versorgen, auch außerhalb der regulären Öffnungszeiten.

Auch ein automatisiertes Warenlager kann als eine von vielen digitalen Lösungen bei heutigen Herausforderungen unterstützen. Um künftig effektiver zu arbeiten und ob der Digitalisierung konkurrenzfähig zu sein, ist dieses System eine wichtige Investition. Es ermöglicht das vollautomatische Auffüllen des Warenlagers rund um die Uhr. Mitarbeitende werden entlastet und die Verfügbarkeit an Medikamenten steigt entsprechend des Bedarfs. Dies ermöglicht auch eine bessere Vorhersage von Lieferschwierigkeiten. Eine steigende Nachfrage in einem bestimmten Zeitraum wird so schneller ersichtlich und der eigene Vorrat ist jederzeit klar einsehbar.

Höhere Festbeträge

Ergänzend zu den Festbetragsregelungen bei Kinderarzneimitteln sollen auch die Festbetragsregelungen bei allen anderen Arzneimitteln umgestellt werden. Sind in einer Festbetragsgruppe nur noch wenige Anbieter, prüft der Beirat die Versorgungslage und kann bei einem sich abzeichnenden Versorgungsengpass die Empfehlung aussprechen, den auf Festbetrag auf das 1,5-fache anzuheben oder die Festbetragsgruppe aufzulösen. In diesem Fall darf der Abgabepreis einmalig auf das 1,5-fache des Festbetragspreises angehoben werden (neuer Basispreis). Die Regelungen des Preismoratoriums finden auf der Grundlage des neuen Basispreises Anwendung.

Apotheken sind verpflichtet zu helfen

Es stellt sich die Frage, ob Apotheken Patienten ablehnen dürfen oder ob sie verpflichtet sind, ihnen zu helfen. Gemäß dem Apothekengesetz sind Apotheken dazu verpflichtet, die Bevölkerung ordnungsgemäß mit Arzneimitteln zu versorgen. Wenn es objektive Hindernisse gibt, kann die Apotheke diese Pflicht möglicherweise nicht in jedem Einzelfall erfüllen. Trotzdem werden Apotheken vor Ort in der Regel alles tun, um eine Lösung zu finden und den Patienten zu helfen.

Wie lassen sich Lieferengpässe langfristig vermeiden?

Lieferengpässe bei wichtigen Arzneimitteln stellen ein zunehmendes Problem dar, das nicht nur kurzfristig durch Erste-Hilfe-Maßnahmen gelöst werden kann. Gerade, da die Probleme durch langjährige Prozesse wie die der Globalisierung entstanden sind, braucht es auch Zeit und eine Eu-weite Zusammenarbeit, um sie zu lösen. Eine Möglichkeit ist, die Produktion von Wirkstoffen und Arzneimitteln unter hohen Umwelt- und Sozialstandards wieder verstärkt in der EU durchzuführen. Dies würde dazu beitragen, Abhängigkeiten vom asiatischen Raum zu minimieren und die Produktion flexibler auf den Bedarf hierzulande anzupassen. Die Apothekerkammer fordert hierfür eine Lösung auf europäischer Ebene, da dieses Problem alle EU-Länder gleichermaßen betrifft.

Auch die Beschränkung von Exporten versorgungsrelevanter Arzneimitteln bei Lieferengpässen könnte helfen. Zudem fordern Apothekerverbände Mehrfachvergaben von Rabattverträgen mit mehreren Wirkstoffherstellern, um eine größere Lieferzuverlässigkeit zu gewährleisten. Auch sollte das höchst aufwändige Krisenmanagement der Lieferengpässe von den Kassen weiterhin und in größerem Maß vergütet werden, um die Apotheken zu entlasten.

Fehlendes Personal

Der Personalmangel, der gerade in vielen Branchen alltäglich ist, macht auch vor den Apotheken nicht Halt. 53 Prozent der Apotheker und PTA beschreiben die Beeinträchtigung für ihre Apotheke durch aktuell unbesetzte Stellen und Ausfälle von Mitarbeitenden als sehr groß und drei von zehn als mittelmäßig. All dies resultiert in Überstunden und höheren Stressleveln für die Angestellten. 

Maßnahmen zur Überbrückung des Personalmangels:

  • Dienstleistungen wie etwa Blutdruckmessung einstellen 
  • Kollegen aus dem Ruhestand zurückholen 
  • Selber PTA und PhiP ausbilden und an PTA-Schulen für die eigene Apotheke werben
  • Finanzielle Anreize für Mitarbeitende, die erfolgreich eine Stelle vermitteln
  • Kurzzeitige Besetzung der offenen Stelle durch Personalagenturen
  • Kürzere Öffnungszeiten

Langfristig müssen z.B. Ausbildungsmöglichkeiten für angehende PTAs attraktiver gestaltet werden, um dem Fachkräftemangel Herr zu werden.

Leider wurde erst kürzlich ein Antrag auf Reformierung beim Deutschen Apothekertag (DAT) abgelehnt. Apotheker können das nicht verstehen. So sind Phrasen wie „die Ausbildung ist einfach nicht attraktiv – da muss dringend etwas dran geändert werden“ - keine Seltenheit, wenn es um die Ausbildung angehender PTAs geht.

Eine Umgestaltung hin zu einer berufsbegleitenden Ausbildung wäre hier von Hilfe. Die angehenden Mitarbeiter könnten dabei aus der Kombination von Theorie und Praxis profitieren. So könnte die gelernte Theorie direkt vor Ort angewandt werden und Berufsanfänger  würden nach den zwei Jahren Ausbildung vorbereiteter in ihre Arbeit in der Offizin starten.
 

Kassenabschlag

Das Gesetz zur finanziellen Stabilisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-FinStG) wurde von der Bundesregierung vorgelegt, um das 17 Milliarden Euro große Defizit der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) auszugleichen, das durch die Coronavirus-Pandemie verursacht wurde. Eine der Maßnahmen, die im GKV-FinStG vorgesehen sind, betrifft den Kassenabschlag, den Apotheken den Krankenkassen pro abgegebener Rx-Packung gewähren. Der Kassenabschlag wird von 1,77 Euro auf 2 Euro je Arzneimittelpackung erhöht. Dies wird für die Jahre 2023 und 2024 gelten.

Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) hat vor dem Vorhaben gewarnt. Die ABDA berechnete, dass die Erhöhung des Kassenabschlags die Apotheken mit rund 120 Millionen Euro pro Jahr belasten würde. In vier Bundesländern hatten Apotheken in einem Protest gegen das Gesetz gestreikt, jedoch hatte dieser Streik keinen Einfluss auf den Gesetzestext.

Das Gesetz zur finanziellen Stabilisierung der gesetzlichen Krankenversicherung sieht neben der Erhöhung des Kassenabschlags weitere Maßnahmen vor. Dazu gehört der um 5 Prozentpunkte erhöhte Herstellerabschlag insbesondere für patentgeschützte Arzneimittel im Jahr 2023. Außerdem sollen strukturelle Änderungen der Preisbildung von neuen Arzneimitteln, die keinen oder nur einen geringen Zusatznutzen haben, sowie ergänzende Maßnahmen zur Dämpfung des Ausgabenanstiegs bei patentgeschützten Arzneimitteln umgesetzt werden. Das Preismoratorium bei Arzneimitteln wird bis Ende 2026 verlängert, ergänzt um eine Ausstiegs-Regelung für bekannte Arzneimittel mit neuem Anwendungsgebiet.

Das Kernziel des GKV-FinStG besteht darin, Finanzreformen in allen Bereichen der GKV durchzuführen, um das Defizit der GKV auszugleichen. Ab dem 1. Februar werden die Apotheken daher stärker zur Kasse gebeten. Die Reform des GKV-FinStG soll dafür sorgen, dass Arzneimittel ohne Zusatznutzen günstiger werden und Facharzttermine schneller zur Verfügung stehen.

Fazit

Abschließend lässt sich sagen, dass 2023 ein herausforderndes Jahr darstellt und viele Neuerungen ein Umdenken und den Blick auf moderne Lösungen erfordern. Dabei können jedoch notwendige Maßnahmen, wie z.B. die Digitalisierung des Warenlagers oder eine duale Ausbildung für Auszubildende auch Chancen bieten und dabei helfen die eigene Apotheke zukunftsfest zu gestalten.

Steuerberatung für Apotheker