Die Therapie mit Medizinalcannabis ist eine Chance für Patienten, Apotheken und Ärzte – und doch ist dieser medizinische Bereich noch nicht ausreichend erforscht und im Gesundheitssystem etabliert. Derzeit wird ein weniger bürokratischer Zugang zu Medizinalcannabis gefordert, sowie die Zulassung neuer Fertigarzneimittel auf der Grundlage von Marihuana. Für Apotheken entstehen durch die Aufnahme von Medizinalcannabis in das Sortiment wirtschaftliche Vorteile. Wieso das so ist, welche Gesetze aktuell zu der Vergabe von Medizinalcannabis gelten und bei welchen Erkrankungen die Therapie wirkt, erfahren Sie in diesem Artikel. 

 

Was ist Medizinalcannabis?

Wenn Cannabis zur Behandlung oder zur Linderung von Schmerzen anstatt zum Genuss konsumiert wird, spricht man auch von medizinischem Cannabis oder medizinischem Marihuana. In der Medizin hat die Cannabispflanze ein großes Potenzial. Die in der Pflanze enthaltenen Substanzen, auch Cannabinoide genannt, wirken zusammen mit körpereigenen Rezeptoren und Liganden regulierend auf viele physiologische Prozesse. Um es kurz auszudrücken: Der Konsum von Cannabis hat beim Menschen Auswirkungen auf die Schmerzwahrnehmung, die Gedächtnisleistung, die Immunfunktion, den Schlaf- Wachrhythmus, die Regulierung von Stress und emotionale Reaktionen, die Neuroplastizität, den Appetit und die Verdauung. 

Durch den Einfluss der Substanz auf fast alle wichtigen physiologischen Prozesse ergeben sich viele Therapiemöglichkeiten. Zudem gibt es eine Vielzahl von verschiedenen Wirkstoffen in den Blüten und daraus hergestellte Extrakte und Öle bieten für zahlreiche Krankheiten Therapiemöglichkeiten. 

Anwendungsmöglichkeiten von Medizinalcannabis

Bisher gibt es nur wenig Forschung zu den Anwendungsbereichen von Cannabis in der Medizin. In Deutschland wurde die therapeutische Vielfalt der Cannabis-Blüte aufgrund der vergangenen Gesetzgebung noch nicht ausreichend erforscht. Das gilt auch für verlässliche Anbau- und Vertriebsstrukturen von medizinischem Cannabis. Zudem bereitet sich die Cannabisindustrie weitestgehend auf die Legalisierung vor und nicht auf die Fertigarzneimittelzulassung von Cannabisblüten. 

Was wissenschaftlich belegt ist, ist, dass Marihuana bei Nervenschmerzen lindernd wirkt. Zudem könnte Cannabis bei Krankheitsbildern wie Übelkeit und Erbrechen im Rahmen einer Tumorerkrankung und psychiatrische Erkrankungen wie Depressionen, ADHS, Angststörungen und posttraumatische Belastungsstörungen angewendet werden. Auch die Auswirkungen von Schizophrenie und Schlafstörungen können durch eine Cannabis-Therapie minimiert werden. Hierzu gibt es bereits einige Ansätze zur Forschung über die Wirkung von Medizinalcannabis, jedoch kann wissenschaftlich noch keine belegbare Aussage getroffen werden. Für einige Erkrankungen übernimmt die Krankenkasse die Kosten für eine Cannabis-Behandlung. Diese sind unter anderem 

  • Chronische und neuropathische Schmerzen
  • Spastiken und spastikassoziierte Symptome bei Multipler Sklerose und anderen neurologischen Erkrankungen
  • Borderline-Syndrom
  • Magersucht und Appetitlosigkeit 
  • HIV-Infektion
  • Migräne
  • Dermatologische Krankheitsbilder wie Neurodermitis, Psoriasis, Akne inversa, Hyperhidrosis
  • Posttraumatisches Belastungssyndrom
  • Tinnitus 

Wie kann Cannabis verabreicht werden?

Die Formen, wie Patientinnen und Patienten Cannabis einnehmen können, sind unterschiedlich. Zum einen gibt es Fertigarzneimittel mit den Wirkstoffen Nabilon oder Dronabinol. Sativex oder Canemes sowie Dronabinol heißen diese Medikamente. Letzteres präparieren ApothekerInnen bei Bedarf individuell zu. Zum anderen sind in Apotheken auch bereits hergestellte Medikamente oder Nahrungsergänzungsmittel basierend auf Cannabis erhältlich. Ein freiverkäufliches Nahrungsergänzungsmittel, das in Apotheken angeboten wird, ist zum Beispiel CBD-Öl. Cannabis kann auch als Blüten oder Extrakt eingenommen werden, wobei die Cannabinoide dennoch erhitzt werden müssen, um ihre Wirkung zu entfalten. 

Das Gesetz rund um Medizinalcannabis

Das Gesetz „Cannabis als Medizin“ wurde im März 2017 verabschiedet. Seitdem ist die indikationsfreie Verordnung von medizinischem Cannabis möglich. Mit diesem Gesetz etablierte sich auch die Kostenübernahme für Arzneimittel, die nicht als solche zugelassen sind. Um davon Gebrauch machen zu können, müssen Patienten einen Antrag bei ihrer Krankenkasse stellen.

“No-Label-Verordnungen“: So nennt man die Anwendungen von Arzneimitteln, die nicht zugelassen sind. Die Therapie mit einem zugelassenen Fertigarzneimittel entsprechend der Indikation ist beim Cannabis die Ausnahme. Im Falle eines Schadens im Zusammenhang mit der Therapie liegt die Verantwortung bei dem Arzt, der das Cannabis verschrieben hat. Beim Fertigarzneimittel liegt die Haftung beim pharmazeutischen Unternehmer, zumindest wenn es für die zugelassene Indikation eingesetzt wird. 

Seit dem Gesetz für Medizinalcannabis aus 2017 beruht die Patientenversorgung auf einer Übergangslösung. Die Therapie bezieht fast ausschließlich außerhalb zugelassener Fertigarzneimittel. Die Zulassung neuer Cannabis-Fertigarzneimittel habe jedoch für Leistungserbringer und Patienten viele Vorteile und viele Hersteller streben deshalb die Zulassungen für Cannabisblüten an. Das vorläufige Gesetz war zunächst dazu gedacht, die Versorgungssicherheit herzustellen und auch Anreize für die Erforschung von Cannabisarzneimitteln zu bieten. So sollte mittelfristig die arzneimittelrechtliche Zulassung von Fertigarzneimitteln erreicht werden. Das Ziel ist es, die Wirksamkeit und Sicherheit von Cannabisarzneimitteln in klinischen Studien zu belegen und die Zulassung von Fertigarzneimitteln anzustreben. Bis heute gibt jedoch immer noch nur sehr wenige Fertigarzneimittel basierend auf Cannabis. 

Vorteile von Medizinalcannabis für Apotheken

Eine Zulassung der Fertigarzneimittel würde es kleineren Apotheken erleichtern, Cannabis-Verordnungen einzulösen, die sonst wenig Kapazitäten in der Rezeptur haben. Die Fertigarzneimittel-Zulassung, insbesondere für Blüten, würde außerdem zu einer Entstigmatisierung der Cannabis-Patienten beitragen. Zudem würde die Kostenerstattung durch die gesetzliche Krankenversicherung sichergestellt werden. 

Das Herstellen der Rezepturen inklusive Prüfung und Dokumentation ist für Apotheker aufwändig. Jedoch kann durch das Angebot von Medizinalcannabis vielen Kunden geholfen werden. Der Mehraufwand wird vor allem durch das Gewinnen neuer Kunden belohnt. Bei bedürftigen Patienten, denen eine ausführliche Beratung zu der relativ neuen Therapiemöglichkeit geboten wird, besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass sie sich wieder an die Apotheke des Vertrauens wenden. Dadurch entsteht eine große wirtschaftliche Chance für Apotheken mit Medizinalcannabis im Sortiment. Sie heben sich von anderen Apotheken ab und sollten Patienten durch eine besonders gute Aufklärung über das Thema überzeugen. Insbesondere Schmerz- und MS-Patienten dürften von den neuen Angeboten profitieren. Zudem können Apotheken neue Mitarbeiter gewinnen. Die zusätzliche Kompetenz der Anwendung von Medizinalcannabis spricht für Modernität und Fortschritt und könnte neue Mitarbeiter anziehen. 

All diese Vorteile für Apotheken und Patienten sprechen für einen vereinfachten Zugang zu Medizinalcannabis. Der Verband der Cannabis versorgenden Apotheken (VCA) fordert eine bürokratische Vereinfachung sowie die Etablierung der cannabisbasierten Medizin in der medizinischen und pharmazeutischen Ausbildung. Wenn fundierte Kenntnisse über diese Formen der Behandlung vermittelt werden, kann die Patientenversorgung verbessert werden. Viele Ärzte haben fehlende Sachkenntnisse, weshalb sie ihren Patienten keine Cannabis-Therapie vorschlagen. Schwer kranke Patienten, bei denen die Standardtherapie nicht anschlägt, wären jedoch dankbar über die Therapieoption mit Cannabis. Vor allem bei chronischen Schmerzen könne mehr als der Hälfte der Patienten mit Medizinalcannabis geholfen werden. Derzeit arbeitet der VCA an dem Aus- und Aufbau des Qualitätssiegels „Cannabis-kompetente Apotheke“. Dieses Siegel sollen Apotheken bekommen, die eine qualifizierte Beratung im Umgang mit medizinischem Cannabis garantieren können. Das Siegel steht für eine qualitativ hochwertige Cannabisberatung und -versorgung durch gut ausgebildetes Apothekenpersonal, das den Bedürfnissen von Patienten und Ärzten gerecht werden kann. 

In Zukunft müsste für die Einführung umfassenderer Möglichkeiten zu Cannabis-Behandlungen neben mehr Fachwissen bei Ärzten und Apothekern auch ein Austausch zwischen den Institutionen stattfinden. Dadurch kann der Einsatz von neuen Therapieoptionen unterstützt werden. 

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